Der Alchimist von Krumau
Christus symbolisierte. Rudolf beschäftigte einen eigenen Kammer-Edelsteinmeister, und er hatte die berühmtesten Uhrmacher des neuen Jahrhunderts an sich gezogen, David Altenstetter und Jost Bürgi, die für ihn kristallene Chronometer herstellten und eine Planetenuhr, welche die Umlaufzeiten der Gestirne zeigte.
Alle diese Wunderwerke kosteten unzählige Truhen voller Goldstücke, die Rudolf mit immer größerer Mühe seinen Ländereien und dem Reichstag ablistete und – presste. Erst kürzlich hatte der Kaiser die berühmteste Gemme in seinen Besitz gebracht, die Gemma Augustea aus dem ersten Jahrhundert vor Christus – eine Apotheose des Augustus aus Onyx, achtzehn Figuren, ein Streitwagen und ein Pferd in perspektivischer Verkürzung, den bekrönten Augustus feiernd, wie er beim Empfang des siegreichen Tiberius neben der Göttin Roma thronte. So und nicht anders, dachte der Maître, stellte sich zweifellos auch Rudolf den eigenen Triumph vor, den er unverdrossen erwartete, auch wenn seine Schatzkammern leer, sein Reich ausgeplündert, ganze Landstriche durch Aufstände, Pestilenz und immer wieder aufflammende Grenzscharmützel verödet waren.
D’Alembert zückte ein frisches Tüchlein und fuhr sich über Stirn und Wangen. Da ihm alle paar Augenblicke der Schweiß ausbrach, hatte er zum ersten Mal seit Jahrzehnten darauf verzichtet, auch nur ein wenig Schminke aufzulegen, und seither erschreckte ihn die fahle, faltige, hagere Nacktheit seines Gesichtes, wann immer er in einen Spiegel sah.
Zumindest eines aber, dachte er, verstand der melancholische Monarch meisterlicher als alle, die nach seiner Krone, seinem Zepter gierten, und allein deshalb hielten Fürsten und Stände, Militärs und Minister noch immer treu, wenn auch zähneknirschend zu dem einsamen Weisen von Prag: Als Infant hatte Rudolf erlebt, wie katholische Eiferer versuchten, den Sarg seines häretischen Vaters Maximilian zu schänden, und seither hütete er den so zerbrechlichen Religionsfrieden, der tatsächlich seit vielen Jahrzehnten standhielt, allen hitzigen Disputen und gelegentlichen Übergriffen zum Trotz, und zwar einzig deshalb, weil er, Rudolf, den weiten Mantel der Toleranz über alle Ketzerei und Häresie gebreitet hielt. Einen Mantel der Feigheit, frevlerischen Schwäche und heidnischen Indifferenz, wie giftige Zungen seit ebenso vielen Jahrzehnten lästerten, aber sie alle würden noch ihr feuriges Wunder erleben: Wenn Rudolf abtrat, durch Abdankung oder Sturz, gewaltsames oder gottgewolltes Verscheiden, so wäre im nächsten Moment der Religionsfriede zerbrochen, und das ganze Reich, ja das gesamte Abendland würde lodern mit tausend Flammen des Glaubenshasses, Brudermordes und Völkerkrieges.
Er winkte von Breuner zu sich. »In diese Sauce noch einen Hauch mehr vom Bisam, wenn Ihr mich fragt. Und die Hirschkopfsülze ist geglückt?«
Der Haushofmeister nickte, die Lippen zusammenpressend, und machte mit seinen Armen eine flatternde Gebärde.
»Ihr meint – die getrüffelte Pute?«
Von Breuners Miene zeigte Verzweiflung an, im nächsten Moment explodierte sein Gesicht in einem neuen Atemkrampf.
»Ex … kechkech! … qui … kechkech! … sit!«, brachte er zwischen mehreren Hustenstößen hervor.
»Très bien, mon ami«, sagte d’Alembert und musste sich für einen Moment an der Tischkante festhalten. »Dann laufe ich jetzt hinauf ins Fürstenappartement und schaue, dass sie die kaiserliche Tafel auch richtig eindecken.«
Wieder zückte er sein Tüchlein, der Haushofmeister machte es ihm nach, wenngleich mit gröberem Sackleinen, und dann standen sie beide inmitten eines Chaos aus Saucen-, Pasteten-und Bratendüften und wischten sich den Schweiß von Nacken und Stirn.
62
Zwischen Markétas Schläfen hämmerten immer noch Schmerzen, beinahe so arg wie vorgestern Nacht, als sie von der Geisterreise zurückgekommen war. Seither fühlte sie sich schuldiger und bedrückter als jemals vorher, zweifach schuldig, da sie nun endlich wusste, welcher Art die mütterlichen Qualen waren, und ebenso, dass sie Biancas Wunsch nie und nimmer erfüllen könnte.
Niemals würde sie es über sich bringen, Hezilow zu vertrauen, den Lumpenteufel gar als »Erlöser« zu preisen – und dabei hatte die Mutter sie angefleht, ihm zu glauben und zu folgen, damit sie von ihren Qualen erlöst würde und zurückkehren könnte in die irdische Welt.
»Der Himmel ist die Hölle.«
Mit düsterer Miene duldete Markéta, dass Bronja ihr
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