Der Alchimist von Krumau
mährische Rehkitzpastete, das ließ sich aus eigenen Vorräten bestreiten; aber wie bei allen Göttern sollten sie die anderen Gaumenfreuden beschaffen, an denen Seine Allerherrlichsten Gnaden sich Samstagabend zu laben wünschten – getrüffelte Pute aus Périgord und Gänseleberpastete aus Toulouse, Lerchen aus Pézenas und Schnepfen aus Dombes, Bayonner Schinken und gekochte Zunge aus Vierzon, nicht zu vergessen den feurigen Tokaier und den prickelnden Veltliner sowie Florentiner Märzkäse nebst Ananas aus Pariser Treibhäusern zum Dessert.
Ja, warum denn nicht gleich Mannasuppe und Phönixbraten, Euer Majestät? D’Alembert ging im riesigen Kuchelgewölbe auf und ab, wo sich zwei Dutzend Köche nebst einem halben Hundert Mägden an Tischen und Herden zu schaffen machten. Fett zischte in den Pfannen, Saucen kochten in Töpfen, in der Luft schwebte eine überwältigende Mischung aus Braten-und Pasteten-, Pfeffer-, Ambra-und hundert weiteren Düften.
Eben hatte vom Kirchturm her zwölfmal die Glocke geschlagen – noch zwei, höchstens drei Stunden, dann würde der kaiserliche Konvoi mit Donnergetöse in die obere Burg einfahren.
Ruhig, nur ruhig, mahnte sich der Maître, alles würde aufs Geschmeidigste über die Bühne gehen, auch wenn von Breuner dort hinten beim großen Ofen mittlerweile hustete wie ein zerborstener Blasebalg. Auch er selbst fühlte sich noch immer sonderbar matt, als ob mit jedem Tropfen Schweiß etwas mehr von seiner Lebenskraft verrönne. Aber ich bin nicht krank, sagte er sich zum tausendsten Mal, nicht wie Sargenfalt oder wie von Breuner, die beide an qualvollem Husten und zerreißenden Brustschmerzen litten, zu schweigen von den widerlichen Wahngespinsten, die den Sterngucker seit zwei Tagen plagten.
Mit Hilfe der Stradová und des Prager Kuchelmeisters hatten sie zumindest die ärgsten Lücken in ihren eigenen Vorräten mittlerweile geschlossen, dennoch würde es eine heikle Odyssee durch ein Labyrinth aus Pasteten und Sülzen, Saucen und Braten werden. Schon mehr als einmal hatte Rudolf einen Konvent vorzeitig verlassen, weil die Zähigkeit eines Bratenstücks, korkiger Wein oder fades Marzipan seinen Zorn erregt hatten.
Und dabei wurde die kaiserliche Gicht, Podagra so gut wie Chiagra, immer ärger, sagte sich Charles, die Stradová selbst hatte es ihm gerade wieder en detail berichtet: An manchen Tagen vermochten Ihre strahlendsten Gnaden sich weder von seinem Lager zu erheben noch auf dem allerweichsten Daunenbett zu liegen, und zwar gleichgültig ob auf dem Rücken, der Seite oder auf dem von Wassersucht aufgetriebenen Bauch. »Robert! Hack er mir das Haupt ab! Ich leide wie ein Viech!« Solches und Ärgeres konnte man die kaiserliche Majestät immer öfter durch den Hradschin kreischen hören, und dann hielten seine Minister, Beamten und Schranzen allesamt den Atem an und wussten nicht, was sie sich wünschen sollten: dass der wunderliche Monarch endlich das Zeitliche segnete oder dass er ihnen erhalten bliebe, weil alles, was nach ihm käme, nur tausendmal grausiger wäre.
Vorneweg Rudolfs jüngerer Bruder, dachte der Maître, Erzherzog Matthias, der darauf lauerte, endlich die Krone an sich zu raffen. Ein skrupelloser Intrigant, verschlagen gegenüber seinem eigenen Blut, aber arglos vor den Feinden Habsburgs, geistig viel zu eingeschränkt, um die Schliche des Sultans, die fromme Tücke des spanischen Monarchen oder selbst die behäbige Hinterlist des Kurfürsten von Bayern zu parieren.
Er trat an den langen Herd, wo zwanzig Kuchelmaiden in riesigen Töpfen rührten, tunkte die Spitze seines kleinen Fingers in eine Sauce aus Ambra und Rosenwasser und sog mit der Zungenspitze das glitzernde Tröpfchen auf. Ah! Der Kaiser hatte natürlich Recht, für eine Sauce wie diese lohnte es sich zu sterben.
Und wie käme gerade ich dazu, dachte d’Alembert, diesem seltsamsten Kaiser, der jemals das Heilige Römische Reich Deutscher Nation regiert hat, die Überfeinerung seiner Sinne oder die maßlosen Summen vorzuhalten, die er für Kunst-und Wunderwerke aller Art verausgabt? Rudolf hatte den Heiligen Gral an sich gebracht, eine riesige, funkelnde Achatschale, in der angeblich das Blut des gekreuzigten Erlösers aufgefangen worden war, weshalb die Geistlichkeit diese Anschaffung gutheißen musste; ebenso das Ainkurn, einen fast zwei Meter langen, gedrehten Stoßzahn, den mancher Gelehrte für die wehrhafte Zierde eines Einhorns hielt, das erfreulicherweise wiederum Jesus
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