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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Kundschafter las, würden die Syrakuser irgendwann wieder verschwinden, wie es schon mehrfach geschehen war in den ungezählten hinter ihm liegenden Tagen, ob es sich nun um mählich verblassende Erscheinungen handelte oder die beiden irgendwann ganz einfach die Geduld verloren. Schließlich war es für Lenka gewiss nicht weniger mühselig und entbehrungsreich, in jener Haltung vor ihm auf dem Teppich auszuharren, oder für Fabrio, an ihn geschmiegt zu sitzen und seinen Rumpf in Höhe des in grotesken Rhythmen holpernden Herzens zu tätscheln.
    Vor den Fenstern rieselte wahrhaftig Schnee hernieder. Es erstaunte ihn, wie rasch die Zeit verging, während er doch nur hier auf dem Sofa gesessen und das immer gleiche Dutzend Rapporte durchflogen hatte.
    Seltsamerweise entdeckte er immer wieder neue Berichte in dem Stapel, wenn er die Blätter nur sorgsam genug hin und her wendete. Und ebenso absonderlich war, dass Lenkas Bäuchlein, unverkennbar selbst unter dem Chaos der emporgerafften
    Röcke, zu einer kleinen Trommel angewachsen war. Während aber selbstverständlich und nach wie vor kein »Teufelchen aus ihrer Fotz gekrochen kam«, o ihr Götter, lasst es auch fürderhin nicht zu.
    Wo immer Fabrio ihn anrührte, blieben ein paar winzige Bürschlein hocken, auch das war einigermaßen unbehaglich. Auf seiner Brust krochen schon einige Dutzend funkelnder Homunkel herum, lauter winzige, splitternackte Fabrios.
    Das Feuer prasselte in seinem Kamin. Einige Momente lang kämpfte er gegen die Vorstellung an, dass er sich nur nach vorn von seinem Sofa rutschen lassen müsste, auf die Knie sinken und mit dem Gesicht vornüber sacken, sodass er mit Mund und Nase exakt in Lenkas Schattendreick fallen würde, dann wäre »der ganze Spuk vorbei«.
    Er versuchte darüber Klarheit zu gewinnen, welcher Spuk und in welchem Sinn vorbei. Aber seine Gedanken verschwammen, und auf einmal war er wieder in jenem See – oder Kristallbecken – oder schwappend vollen Rittersaal –, und von allen Richtungen schnellten ihm winzige Fabrios entgegen, vom ungefähren Umfang seines Daumens und mit hunderttausend daumennagelkleinen Gesichtlein lächelnd.
    Nur in ganz seltenen Augenblicken begriff Charles d’Alembert, dass er krank war, noch immer ernstlich krank. Dass er auf den Tod darniederliegen musste, auch wenn er der Vorstellung unterworfen war, auf seinem Sofa zu sitzen, vor dem prasselnden Kamin und Lenkas gespreizten Rehkitzbeinen. Dann wieder entglitt ihm dieses Bild seiner selbst, wie er sich auf seinem Lager hin und her warf, vor Fieber glühend, und stattdessen schien ihm nicht sein Leib oder seine Seele, sondern die ganze Welt um ihn herum sterbenskrank.
    Wie sonst wäre es möglich, dass Hezilows Lumpenkerle übers Land fuhren, die gräflichen Untertanen nach Belieben einfingen und ihren teuflischen Spott mit ihnen trieben?
    »Nachdem der Unmut unter den Bürgern von Krumau immer weiter angeschwollen ist, ungeachtet der Silberstücke, die Graf Julius unter die empörte Menge zu werfen befahl, oder der Peitschenhiebe, die Gardekommandant Mular den ärgsten Aufrührern zuteil werden ließ, wurde am heutigen Sonntag, dem
    23. Dezember 1607 A.D. angeordnet, drei Gesandten des Krumauer Rats Zutritt zum Hospiz zu gewähren, auf dass sie sich deroselbst von der Zweckmäßigkeit der pestilenzischen Kur überzeugen. Die Namen der Gesandten lauten: Karel Kudaçek, Flößer; Sigmund Pichler, Bader; Stanislaus Brodner, Wirt zum ›Goldenen Fass‹.«
    Die Löcher in seinem Gedächtnis, seinem Bewusstsein wurden immer größer, schwarz und unergründlich wie Moorseen. Er blieb auf seinem Sofa sitzen (sofern er nicht in seinem weißen Himmelbett lag), an seiner Seite Fabrio (oder auch nicht), vor ihm liegend Lenka (oder wohl eher nicht), jedenfalls wurde ihm schwindlig bei der bloßen Vorstellung, dass er sich erheben sollte, um beispielsweise bis dort drüben zu den Fenstern zu wandern: Wie viele Moorlöcher mochten auf diesem Weg lauern, versteckt zwischen seinen weißen Teppichen und Fauteuils?
    Und morgen also war Weihnachten, sofern dem Rapport zu trauen war, den er völlig unerwartet im immer gleichen Papierstapel entdeckt hatte?
    Eine kühle Hand legte sich auf seine Rechte. Er sah sie an, die schlanken, kräftigen Finger, und registrierte dankbar, dass dort, wo die Finger ihn anrührten, keine funkelnden Homunkel hocken blieben.
    »Maître?«, sagte Markéta da Ludanice. Beim Klang ihrer Stimme erinnerte er sich augenblicklich an den

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