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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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schüttelte sie wild. »Berti! Her mit dir!«
    Sein Kammerdiener stürzte in den Saal. »Exzellenz befehlen?«
    »Wie heißt der Kerl – der Gesandte, den der Teufel geholt haben soll?«
    Robert zupfte an seiner Weste herum, die sich straff überm Bäuchlein spannte. »Na, die Sache ist arg, Exzellenz. Madame Markéta läuft überall herum, wie ich hörte, auf der Suche nach ihrem … Na, der Bader Pichler ist’s, Exzellenz.«
    »Das hat uns grad noch gefehlt, Berti. Aber sag er: Nimmt sie’s schwer? Ich mein, es war ja bloß ihr Kuckucksvater, da könnt’s ihr doch gleich sein. Du schüttelst den Kopf? Hast wohl Recht, Berti: ›An dir leid ich: sollst mein Vater sein.‹ Von wem stammt das goldene Wort?«
    »Von Monsieur d’Alembert?«
    Da bekam er einen Lachanfall und mitten hinein eine glanzvolle Idee. »Mais précisément, mon Camem-bert!« Er strahlte Robert an.
    »Plaisir, c’est mon desir, versteht er mich recht? Auch wenn d’Alembert so ausdauernd den Kranken spielt, dass ich mir in sieben Monaten vielleicht doch mal Sorgen um ihn machen sollte: Heut ist Weihnacht, Berti!« Er sprang von seinem Thronsessel auf und hüpfte auf einem Fuß die Stufen hinunter.
    »Und da soll gefeiert werden, im Großen Saal! Sieh zu, dass alle kommen – aber wirklich alle, alle, versteht er mich? Heut Abend, Schlag sieben, ich befehl’s!«
    Der Kammerdiener eilte davon, während Julius langsamer nach links abging, in Richtung seiner Privatgemächer.
    Durch das »Höllenbalg«, dachte er, das Lenka gestern zur Welt gebracht hat, ist nur noch mehr Unruhe geschürt, böses Blut im wahrsten Sinn vergossen worden – seltsamerweise im Salon d’Alemberts, prangend rote Flecken auf seinem Teppich hinterlassend, während der Maître selbst sich nebenan auf seinem Krankenlager wälzte. Dabei war Lenka froh und erleichtert gewesen, als Markéta, glücklicherweise im rechten Moment zur Stelle und als Hebamme leidlich erfahren, sie von der Totgeburt entbunden hatte. Ein versteintes, kläglich verschrumpftes, ja mumifiziertes Knäblein, mit schwärzlicher Affenfratze und dunkler Lederhaut am ganzen Leib.
    Wie bei einer Fledermaus, dachte er, oder bei einem Drachen. Hezilow hatte heiß drum gebeten, ihm den Fötus zu vermachen. Aber nichts da, beschloss Julius, der Fratz gehört mir.

  74
     
     
    Seit Wochen schon spürte sie, wie er ihr mehr und mehr entglitt. Sie liebte ihn, zärtlicher denn je, tiefer, leidenschaftlicher, als sie jemals einen Menschen geliebt hatte. Und als sie je wieder lieben würde, denn auch das fühlte Markéta: eine Ahnung, ganz fern noch, von schrecklichem Schmerz.
    Vorhin, als sie sich unter seinem Samthimmel umarmt hatten, war es ihr vorgekommen, als ob er etwas Ähnliches empfände, eine furchtbare Vorahnung, die seine Begierde nur noch heißer emporkochen ließ. Er war über sie hergefallen wie ein Raubtier, wie der junge Wolf, an den er sie schon damals erinnert hatte, als sie zum ersten Mal in seinem Thronsaal vor ihm stand.
    Jene Momente elysischen Einsseins, die sie einige Male in seinen Armen empfunden hatte, schienen Markéta längst wieder so fern, dass sie sich zuweilen kaum mehr erinnern konnte, wie köstlich, wie paradiesisch es gewesen war, miteinander zu verschmelzen. Und vielleicht war jenes Einssein, wie sie nun dachte, sogar niemals ferner als in den Stunden seiner wölfischen Brunst.
    Sie saß zu seiner Rechten, an der Stirnseite der Tafel im Großen Saal. Johanna und ihre Nonnen waren nicht erschienen oder nicht eingeladen worden, wie auch immer: Hauptsache, die Waldstein blieb ihr heut Abend erspart, ihr welker Anblick und die allzu scharfen Vogelaugen.
    Weihnachtsabend: Seltsamer Gedanke, dass heute das Christkind für sie alle geboren worden war und niemand in diesem Saal, nicht eine einzige von zweihundertfünfzig Seelen, sich drum zu bekümmern schien. Auch ich nicht, dachte Markéta, auch meine Seele nicht. Wie fern die frommen Legenden von Pater Hasek, so fern wie der verjagte Priester selbst.
    Zu Julius’ linker Seite saß tatsächlich Maître d’Alembert, hohläugig, mit mehlbleichem Antlitz und bis auf die Knochen ausgeglüht. Aus eigener Kraft hätte er sich schwerlich bis hierher schleppen können, sagte sich Markéta, aber Fabrio und Lenka hatten ihn fürsorglich gestützt. Mit rätselhafter Zärtlichkeit hingen die Zwillinge an dem Kranken, seit Lenka ihr versteinertes Knäblein in d’Alemberts Gemächern zur Welt gebracht hatte.
    Alle Schranzen und Einbläser,

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