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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Namen, zu dem er ihr verholfen hatte, nicht ohne Eigennutz. »Hört Ihr mich, Monsieur d’Alembert?«
    Sie klang verzweifelt, dachte er, aber es dauerte, selbst nach seinen Begriffen, eine halbe Ewigkeit, bis er seinen Kopf so auf-und eingerichtet hatte, dass er ihr Gesicht in den Blick bekam.
    »Ja?«
    »Der Bader«, sagte sie. »Bitte, Ihr müsst mir zuhören, Maître: Die Gesandten sind aus dem Hospiz zurückgekommen, aber Vater Sigmund – er ist nicht mehr da!«

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    Gewiss, gewiss, der Unmut wuchs, die Gerüchte blühten, aber die würden auch wieder welken. Viel wichtiger war ja, dass der Magister mit den Verhältnissen zufrieden schien und bei seinem großen Werk gut vorankam, zumindest beteuerte er’s ein ums andere Mal.
    »Hat nicht auch Jesus Christus aus dem himmlischen Aquaster seinen sterblichen Leib geformt, und missen wir alle, Euer Liebden, ihm nicht nachfolgen voll eifernder Liebe?« So erklärte sich der Puppenmacher auch heute, während er im Audienzsaal auf und ab humpelte, das absonderlich lange Schwert umgeschnallt. »Am tiefen Grund, den Hezilow aufspiert mit Hilfe der Spukgespenster, hockt nämlicher Aquaster, auch als Homunkel bekannt.«
    Glücklicherweise war Johanna von Waldstein nicht zugegen, sagte sich Julius, auf seinen Thronsessel hingefläzt. Die Nähe des Puppenmachers reizte ihn geradezu, sich gehen zu lassen. Spürte er dagegen die strenge Präsenz der Waldstein oder gar des Maître, so fühlte er sich augenblicklich wie von einer Rüstung umschlossen – so steif, so äußerlich geeist, so voll rasender Begierde allerdings auch, die eisernen Grenzen zu sprengen.
    Für einen Moment sah er den verwandelten Rittersaal im Rosenberger Kastell vor sich, von dem Skraliçek ihm erst kürzlich wieder berichtet hatte. Der Boden bedeckt mit kotigem Stroh, worauf die Elenden Seite an Seite lagen, die meisten blutjung noch, druntergemischt Schatzens ältliche Delinquenten. Und zwischen ihnen allen, fürsorglich sich hier niederbeugend, dort ein aufmunterndes Scherzwort rufend, die Gehilfen des Magisters mit wippenden Klatschmohnsträußlein an den Hüten.
    Auf Hezilows Rat hin pflegte auch Julius selbst sich neuerdings Mohnstängel ans Wams zu heften, zur Abwehr der pestilenzischen Dämpfe. Und da seine Schranzen sich stets mühten, dem edlen Vorbild nachzueifern, waren Klatschmohnbüschel, ob am Hut oder am Busen getragen, über Nacht zum begehrten Mode-Truc avanciert.
    »War sich gewisslich auch der Leib von Mater Maria aquastrisch«, fuhr unterdessen Hezilow fort. »Nicht mal der Täjfel perseenlich tät behaupten, unser Herrgott hätt sich einen Weibsbauch beneetigt, um Sohn Jesus Christus zu erschaffen. Hat Hezilow in labyrinthischen Studien das große Mysterium aufgespiert, den aquastrischen Spalt in der Stirn. Wenn Ihr Euch überzeugen meegt, strahlendste Gnaden?«
    Hezilow blieb vor dem Thron stehen, warf seinen Kopf zurück und fuhr mit bleichem Finger den gemeinten Spalt entlang, vom Haaransatz über etliche Warzen hinweg und lotrecht zur Nase hin. »Durch diese Rinne, Euer Exzellenz, gebiert sich Adept den spiritum vitae aquastrisch in seinem Herzen.«
    Julius beugte sich zu ihm hinab und nickte Hezilow verständnisinnig zu. Dabei hatte er, die Wahrheit zu ehren, ein wenig den aquastrischen Faden verloren. Die Ausführungen des Magisters schienen ihm zuweilen unauslotbar, immer öfter ertappte er sich dabei, dass seine Gedanken abschweiften, während sich der Puppenmacher in Hitze redete. Mag er dort unten in seinen Laboren mischen und kochen und transformieren und koagulieren, was immer Not tut, dachte er, aber rasch soll’s gehen, denn lange halt ich die Überspannung nicht mehr aus.
    »Wann also, werter Magister«, fiel er Hezilow ins Wort, der sich schon wieder über Aquaster und Spalt und dienstbare Spukgeister ausließ, »wann springt der erste Homunkel aus Euern Tiegeln?«
    »Ah, noch ein klein wenig Geduld, Euer Gnaden.« Der Puppenmacher begann zu buckeln und den schmierigen schwarzen Beutel in seinen Händen zu drehen. »Nur ein paar dierftige Tage, ein paar Schnaufer und Spalten und Spritzerchen noch, Euer Liebden, dann hupfen Euch die Homunkel dutzendweis durchs Haus.«
    Tage und Tage also noch? Nachdem schon Wochen und Monate verstrichen waren mit immer neuen Erläuterungen und Zusicherungen und Vertröstungen? Sturzdüster wurde ihm mit einem Mal zumute. »Der Medikus meldet, dass die Kraft der Pestilenz bald gebrochen wär?« Er fragte es in lauerndem

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