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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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und breit nichts zu sehen.
    »Der Kuckucksheiler?«, hatte der Medikus sie beschieden.
    »Grad die Treppe runtergepoltert, hat seinem närrischen Verdacht abgeschworen, was auch sonst? Und nun hinfort mit euch, Bürgerspack!«
    Unten aber hatten sie von Sigmund Pichler keinen Schatten, keine Schnauzbartspitze gefunden, nicht das leiseste Echo seiner sonst weithin schallenden Stimme, und der Bader war auch in den Stunden seither weder beim Flößer noch beim Wirt wieder aufgetaucht.
    Vage war Markéta bewusst, dass Julius ihren Plan als Verrat empfinden würde, wenn er davon erführe, aber sie hatte keine Wahl: Sie musste herausfinden, was mit Vater Sigmund geschehen war, noch in dieser Nacht.
    Ungeduldig wartete sie, bis Julius sich erhob, wie sie’s vorausgesehen hatte, und zu der ausgelassenen Gruppe am hinteren Ende der Tafel überwechselte, die ihn mit wüsten Trinksprüchen und Gesängen begrüßte.
    Auf einem Wandregal über den Köpfen der Schmausenden, die allesamt schon wieder von Veltliner und Tokaier berauscht schienen, schwamm Lenkas Mumienkindlein in einem Kristallballon voll Spiritus. Schaudernd sah Markéta zum »Satansbalg« hinauf, dann bemerkte sie d’Alemberts Blick auf ihrer linken Seite.
    Über Julius’ leeren Sessel hinweg lächelte sie dem Maître zu. Offenkundig hielt er sich nur mit Mühe auf seinem Stuhl aufrecht. Seine Augen waren glasig, seine Stirn glitzerte vor Schweiß.
    Julius, dachte sie, hatte das Satansbalg nur deshalb hier im Großen Saal aufstellen lassen, weil er erwartete, dass der Anblick d’Alembert peinigen würde. Sie selbst hatte schon mehr als einmal ein tot geborenes Kind gesehen, doch nie zuvor war es ihr so nachgegangen. Das Satansbalg erinnerte sie an den lederhäutigen Klumpen mumifizierter Fledermäuse, den ein Kuchelknabe im Sommer aus dem Kamin im Rosenberger Kastell geborgen hatte, und mehr noch an den »alten Drach’«, von dem Flor ihr immer wieder voller Schrecken erzählte. Und obwohl es, nüchtern besehen, mit dem einen wie mit dem andern nichts zu schaffen hatte, strahlte der Schrecken, der von diesen beiden Drachenfratzen ausging, mehr und mehr auf Lenkas unseligen Mumienknaben aus.
    Einen Moment lang erwog sie, dem Maître von ihrem Plan zu berichten, aber in seinem Zustand könnte er ihr doch nicht helfen, nicht einmal durch einen Ratschlag. Ohnehin veranstalteten die Musiker und Zecher hinten im Saal ein solches Getöse, dass sie hätte schreien müssen, um sein Ohr zu erreichen.
    Bitte haltet aus, Monsieur, wer anders als Ihr sollte dem Lumpenteufel wehren?
    D’Alembert nickte ihr zu, wie um ihren längst erratenen Plan gutzuheißen, oder vielleicht war sein Kopf auch nur aus Schwäche abwärts gesackt. In den Augenwinkeln bemerkte sie, dass sich Julius an der anderen Tafelseite erhob und ihr mit einer energischen Armbewegung bedeutete, zu ihm und seinem übermütigen Gefolge zu stoßen.
    Noch immer sah sie zu d’Alembert hinüber. Solange Julius nicht nach ihr rief, konnte sie so tun, als hätte sie seine Aufforderung nicht bemerkt. Wenn es aber mehr als eine Augenblickslaune war, würde er keine Ruhe geben, bis sie seinen Wunsch erfüllt hatte, worauf sie in den nächsten Stunden sicher keine Gelegenheit mehr finden würde, sich unbemerkt zurückzuziehen.
    Schon öffnete Julius den Mund, um über die ganze schreiende, singende und musizierende Bande hinweg ihren Namen zu rufen, da sprang die Tür auf, und eine dunkle Gestalt humpelte in den Saal.
    Nicht einmal in ihren verworrensten Träumen hätte Markéta erwartet, dass sie bei seinem Erscheinen jemals solche Freude empfinden würde.
    »Gold, Euer strahlende Gnaden!«, kreischte Hezilow. »Gold, Gold, so viel Ihr begehrt!« Er trat zur Seite, und hinter ihm kamen zwei seiner Lumpenkerle zum Vorschein, einen gewaltigen Bottich schleppend, den sie mit Schwung in den Saal hinein entleerten.
    Klirrend und funkelnd schwappte ein goldener Schwall vor die Füße des Grafen, der aufgesprungen war und mit strahlender Miene von den Brocken zum Brockenmacher sah. »Solch güldne Weihnachtsgabe rühm ich mir, Magister!«, rief er aus.
    »Und bis Neujahr die Homunkel!«, gab Hezilow mit pfeifender Stimme zurück.
    Wie verzaubert sprangen alle zweihundertfünfzig Höflinge auf und schoben sich, unter Jauchzern und fiebrigen Ausrufen, auf Don Julius und die funkelnde Pfütze zu seinen Füßen zu.
    Markéta aber erhob sich und entwich durch eine Nebentür aus dem Saal.

  75
     
     
    Sie wollte nur rasch

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