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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ganze Horde teuflischer Bestien, übermannsgroß und mit dämonischer Detailtreue auf die Eichwand gemalt. Neben Fabrio aber, der sich nun aufrappelte und seinen verrutschten Schurz zurechtschob, standen ihre drei Mitstreiterinnen, immer noch starr und stumm vor Erstaunen.
    Man schrieb den 29. Dezember 1607 A.D. Gestern früh waren zwei Pestgräber geöffnet worden, und die hastige Beschau hatte ergeben, dass Hezilow durchaus kein ehrenwerter Mann war.
    Seit Tagen bereitete sich d’Alembert unermüdlich auf den »vorletzten Schachzug« vor, ihren Abstieg in Hezilows Hölle. So heimlich wie beharrlich hatte er mit Fabrios Hilfe seinen vom Fieber ausgeglühten Leib gestählt. Glücklicherweise hatte sich der Syrakuser als passabler Ringer erwiesen – als so listig und geschmeidig sogar, dass d’Alembert anfangs wieder und wieder zu Boden geworfen worden war, mit beschämender Raschheit und einmal mit solcher Gewalt, dass ihm der Schädel wie eine Kriegstrommel gedröhnt hatte.
    Voller Zufriedenheit sah er nun in die Gesichter ihrer kleinen Streiterschar, von den beiden Syrakusern zu Lisetta und schließlich zu Markéta. Besonders die Baderstochter konnte sich offenbar nicht fassen vor Erstaunen über die Verwandlung des Maître, der barfüßig vor ihr stand, die sehnige Brust entblößt und noch immer tropfnass vor Schweiß.
    Nun machte er Fabrio ein Zeichen, und der Syrakuser sprang zum Fenster, wo ihre Gewänder hingen, warf sein eigenes Hemd über und kehrte mit d’Alemberts Mantel nebst Futteral eilends
    zurück. »Höchste Zeit für den vorletzten Zug«, sagte der Maître und ließ sich von Fabrio in den Mantel helfen, mit dem Rücken zu den drei anderen, die schweigend warteten, bis er weitersprach.
    Nur den wenigsten Menschen wird jemals bewusst, dachte d’Alembert, dass es hinter der spiegelnden Schauseite ihrer Welt noch mindestens eine weitere Wirklichkeit gibt. Tatsächlich lebten die meisten Personen im tölpelhaften Stil jener Theaterbesucher, die sich vom Schein der Bühnenwelt ganz und gar bannen ließen. Dabei werkten zur gleichen Zeit Dutzende unsichtbarer Illusionisten auf dem Schnürboden über der Bühne und im Machinationenkeller darunter. Der Kulissenmaler, Maskenbildner, Kostümschneider nicht zu gedenken oder gar des Mannes, der die Theaterwelt erdichtet hatte und allen Akteuren bis aufs i-Tüpfelchen vorschrieb, wann und wo sie welche Worte zu schreien, zu singen, zu deklamieren hatten. Und wann es ans Sterben ging.
    »Das erste Dutzend Partien habe ich schmählich verloren«, sagte er, indem er sich wieder zu den Frauen umwandte, die Arme vor der Brust verschränkt. »Immerhin habe ich mit einem Gegner gerungen, der weniger als halb so viele Jahre zählt wie ich und in den zurückliegenden Wochen auch keinen wütenden Löwen in seiner eigenen Brust bekämpfen musste. Aber ich bin rasch wieder zu Kräften gekommen – nicht zuletzt durch Euer stärkendes Specificum, Madame«, fügte er mit einer Verbeugung in Markétas Richtung hinzu.
    »Und seit gestern früh hat dieser wilde Bursche hier« – er versetzte Fabrio einen Rippenstoß – »nicht einen Ringkampf mehr gegen den alten d’Alembert gewonnen. Habe ich Recht?«, fragte er den Syrakuser, der sogleich beteuerte: »Keinen einzigen, Maître! Und dabei dacht ich immer, mich könnt keiner aufs Kreuz legen – außer wenn ich’s selber will.« Er bedachte d’Alembert mit einem glühenden Blick.
    »Ah, Monsieur«, mischte sich Markéta ein, »jetzt begreif ich, worauf Ihr hinauswollt, aber ich beschwör Euch: Ihr wärt wahnsinnig, Euer Leben …«
    D’Alemberts erhobene Hand brachte sie zum Verstummen, auch ohne das gewohnte Stöckchen. »Hört mich an, Madame, ich bitte Euch.« Wieder sah er ihre kleine Schar einen nach dem anderen an, ehe er weitersprach: »An manchen Tagen, wenn ich fiebernd darniederlag, fürchtete ich, dass mein Ich aus den glühenden Wüstenwelten nicht mehr zurückfinden würde. An solchen Tagen zwang ich meinen Geist, mir Schritt für Schritt vor Augen zu führen, wo überall in diesen Gemäuern verborgene Gänge, Treppen, Schächte verlaufen müssen.«
    Er fasste unter seinen Mantel, wo er Bandinellos hirschledernes Futteral auf der bloßen Haut trug, und zog mit beiläufiger Geste ein Wurfmesser hervor. »Ich bedachte die Grundrisse der Gebäude und ihre Anordnung zueinander, Schnitt und Größe der Säle, Zimmer und Gemächer, die Dicke der Mauern, den Verlauf von Fluren und Treppenhäusern. Nach und nach

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