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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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zeichnete sich vor meinem inneren Auge eine komplexe Gegenwelt ab. Immer wenn ich mir einen Ausschnitt der sichtbaren Seite ins Gedächtnis rief, sah ich gleichzeitig, wie einen Schatten, auch die normalerweise unsichtbare Rückseite vor mir.« Er spähte an Markétas linker Schulter vorbei. Die Eichwand mit den aufgemalten Höllenkerlen war etwa zwanzig Schritte entfernt. Er kniff die Augen zusammen und ließ das Messer mit einer eleganten Handbewegung davonwirbeln. Markéta zuckte zusammen und sah dem Wurfgeschoss mit entgeisterter Miene hinterher.
    »Durch diesen Kunstgriff«, fuhr er fort, »hinderte ich meine fiebernde Seele, in menschenwidrige Gefilde zu entfliehen, und gewann zugleich ein immer klareres Bild vom steinernen Irrgarten im Innersten dieser Burg.« Ohne sich nochmals zu unterbrechen, zog er nun Messer um Messer aus dem Etui und warf eins nach dem anderen in Richtung der Teufelswand. »Was mich jetzt in die Lage versetzt, Euch, Madame, einen unbewachten Weg in Hezilows Hölle zu weisen – Euch und uns allen, denn ich werde mit Euch gehen, und wie Ihr seht, bin ich gut gerüstet.« Er zückte das siebte Wurfmesser und schleuderte es den Teufeln entgegen, fast ohne hinzusehen. »Bisher, Madame, kanntet Ihr nur den Obersthofmeister d’Alembert. Heute sollt Ihr den Bestienbändiger kennen lernen – Ihr und vor allem die Bestie selbst.«
    Lächelnd bot er ihr seinen Arm, und Markéta hängte sich nach kurzem Zögern bei ihm ein und ließ sich quer durch den leeren Saal zur Eichwand führen. Das kolossale Ölgemälde war vom Alter gedunkelt, der hölzerne Untergrund mit Rissen überzogen. Dennoch waren die sieben Teufelsfiguren, die der mäßig begabte Künstler wie im Puppentheater nebeneinander aufgereiht hatte, deutlich zu erkennen: ihre feixenden Fratzen, die obszönen Hörner, die Bocksfüße, Satansschwänze. Und die sieben blitzenden Messer, die in sieben Teufelsstirnen steckten und die d’Alembert nun mit gelassenem Lächeln eines nach dem anderen aus dem Holz zog und wieder in seinem Etui verstaute.
    Endlich zog er seinen Ringermantel abermals über der Brust zusammen und blickte Markéta fragend an. »Nun, Madame – besteht Ihr noch immer darauf, ohne mich in Hezilows Hölle hinabzusteigen?«
    Die Baderstochter trug wieder jenes einfache, hellbraune Kleid, das sie während ihrer ersten Tage auf der Burg bevorzugt hatte. Einen Moment lang erwiderte sie starr seinen Blick, dann schüttelte sie sichtlich widerstrebend den Kopf. Charles überlief ein Frösteln. O ja, er fühlte sich nahezu gesund und stark wie seit langem nicht mehr, allerdings bei weitem nicht so gefestigt und seiner selbst gewiss, wie jemand sich fühlen sollte, der in die Hölle hinabzusteigen gedachte. Und lebend wieder emporzuklettern.
    »In einer Stunde«, sagte er, »in meinem Salon.«

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    »Eine der geheimen Röhren verläuft parallel zu dem Kaminschacht hinter dieser Wand«, sagte d’Alembert. »Ich habe gestern einen Blick hineingeworfen. Schmale, schlüpfrige Stufen, aber man gelangt wohl hinab.« Er deutete auf die Wand neben seinem Kamin, in dem zuckende Flammen wie blau gewandete Mönche um einen glühenden Scheiterhaufen tanzten.
    Ein letztes Mal schweifte sein Blick über ihre klägliche Schar. Er hatte angeordnet, die Haare der Zofe und der Zwillinge in Flors goldblondem Ton zu färben, Lisettas Schopf zusätzlich in Locken zu legen und jeden sichtbaren Zoll syrakusischer Haut so mondbleich zu färben, wie die Leiber Flors und Lisettas von Natur aus waren. Im Halbdunkel des Kellergewölbes mochten die drei notfalls als Doppelgänger des Nabellosen durchgehen, zumal sie kurze, zerlumpte Hemden trugen und zumal Hezilow wenig Gelegenheit zu bedächtigen Nachprüfungen bliebe. »Sei jetzt so liebenswürdig, Fabrio«, bat er schließlich, »und nimm die Verblendung weg.«
    Der Syrakuser tat wie geheißen. Mit seinen goldenen Locken und der mehlbleichen Haut unter dem Lumpenhemd bot er einen absonderlichen Anblick. Seine Finger glitten unter das mit weißer Seide tapezierte Eichenbrett, das sie gestern nur noch lose an seinem alten Ort befestigt hatten. Dahinter kam eine schmale Tür zum Vorschein, der schwarze Lack stellenweise abgeblättert, doch auch das Holz darunter war, vor Ruß oder Alter, nahezu schwarz.
    Ein Schauder lief d’Alembert über den Rücken, als er zu Fabrio trat und die leise knarrende Tür aufzog. Neben dem Kamin lag der Sack voller Fackeln und anderer Hilfsmittel, die die

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