Der Alchimist von Krumau
gebracht.«
»Und von alledem hat hier in der Burg niemand gewusst?« Katharina da Strada sah Markéta argwöhnisch an. »Julius nicht, Ihr nicht, Madame, und nicht einmal der Maître? Ich versteh’s nicht, und umso weniger, je länger ich das Gespinst zu durchdringen versuche. Zumindest d’Alembert müsste doch …«
»D’Alembert?«, echote es da vom Fenster her. »Herbei mit ihm, Wir sind der König: Auf welche Weise wünscht Ihr uns zu dienen, d’Alembert?«
Die Stradová und der Oberst wechselten betretene Blicke, Markéta aber erhob sich und nickte ihnen zu.
»Später will ich versuchen, alles zu erklären. Jetzt entschuldigt mich – ich muss zu Julius gehen.«
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»Eure Verachtung schmerzt mich, Katharina, doch weit ärger trifft mich Euer Verdacht, dass ich Julius verraten hätte.«
»Wieso glaubt Ihr, dass ich Euch verdächtigte, Monsieur?« Wenn Ihr keinen Argwohn gegen mich hegt, warum beteuert
Ihr es nicht geradeheraus? D’Alembert war zu höflich, zu
resigniert, vor allem aber viel zu erschöpft, um die mütterliche Mätresse mit dieser Gegenfrage herauszufordern. Er saß in Julius’ Salon, in demselben Fauteuil, in dem vor kurzem noch Markéta den Vorhaltungen der Stradová gelauscht hatte. Als sie ihn zu sich rufen ließ, hatte er für einen Augenblick erwogen, sich zu verweigern, aber das kam nicht ernstlich in Betracht. Katharina hatte ein Recht darauf, dass er vor ihr Rechenschaft ablegte, ein letztes Mal.
»Ich habe versagt, Euer Vertrauen enttäuscht, Madame.« Er beugte sich vor und ließ sich gleich wieder in den Sessel zurücksinken.
»Aber verraten habe ich ihn nicht.« Oder jedenfalls anders, als Ihr glaubt.
Er sah ihr ins Gesicht und hatte Mühe, sich in Erinnerung zu rufen, was ihn an dieser Frau so sehr verzaubert hatte. Eure listenreiche Liebenswürdigkeit und meisterliche Selbstbeherrschung, Katharina, und wofür all das? Ein Leben lang verlarvt – zu welchem Ende?
»Ihr hattet die Gewalt über die Burg, über Julius, über alle Geldtruhen und Schlüssel«, sagte sie heftig, »Ihr wart der eigentliche Graf von Krumau, Maître d’Alembert!« Ihr Seidenkleid gleißte wie ein ganzer Winterwaid. »Wie konnte es geschehen, dass Euch die Macht so sehr entglitten ist?«
»Ich war krank, Madame, ich bin es noch.« Er zwang sich, ihr ins Gesicht zu sehen, in ihre braunen Augen, die so viel Wärme, so viel Sympathie vorspiegeln konnten. »Der Löwe, der mir in der Brust saß, hat mein Innerstes zernagt«, fuhr er fort, »lang werde ich nicht mehr leben. Aber versteht mich recht. Katharina: Das Fieber entschuldigt nicht mein Versagen, es war nur der Vorschein meiner Unzulänglichkeit.«
In den letzten Nächten hatte er nur noch von Feuersbrünsten, berstenden Flussbetten, überkochenden Ozeanen geträumt. Der ganze Hradschin war in sich zusammengestürzt, all seine hundert Türme, Zinnen, Giebel knirschend und knackend zusammengesackt, während von der Stadt her eine dunkle Flut emporgequollen war, mit blutroten Schlieren marmoriert.
Doch von alledem berichtete er Katharina da Strada nichts. Durch die Tapetentür neben dem Kamin trat Johanna von Waldstein ein, in funkelnd schwarzem Kleid, gefolgt von ihren Dominikanerinnen. D’Alembert ertappte sich bei der knäbischen Hoffnung, der Stradová entschlüpfen zu können, wenn ihre Aufmerksamkeit durch die heiligen Weiber hinlänglich abgelenkt würde. Doch er blieb sitzen, wo er saß, so stumm wie Katharina sah er zur Waldstein und zu den Nonnen hinüber, die in feierlicher Prozession auf Don Julius zuwandelten und hinter seinem Sessel Aufstellung nahmen.
»Pater Miguel rät zu Dauergebeten«, verkündete Johanna, »um die gräfliche Seele dem Teufel zu entreißen.« Sie äugte zur Stradová herüber, den Kopf vogelhaft schief gelegt, umfasste das Kruzifix, das sie an einer Perlenkette vor dem mageren Busen trug, und reckte es jählings empor. Die zwölf heiligen Weiber taten es ihr nach, alle dreizehn Münder klappten gleichzeitig auf und begannen in kreischendem Diskant zu singen:
»Der dunkle Weg, den er betrat, Geht in den Himmel aus, Und wer nur hört auf seinen Rat, Kommt auch in Vaters Haus!«
D’Alembert suchte Katharina da Stradas Blick zu erhaschen, aber die mütterliche Mätresse sah mit steinerner Miene zu ihrem Sohn hinüber, der von den frommen Fortissimi wenig zu bemerken schien. Wie eine lebensgroße Puppe saß Julius auf seinem Thron und starrte unverwandt auf das Porträt, das zwei
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