Der Alchimist von Krumau
»Setz dich zu mir.«
Der Syrakuser schmiegte sich an seine Seite. »Die Lenka ist ganz außer sich«, plapperte er gleich los, »weil ihr Satansfratz nicht mehr im großen Saal steht.«
D’Alembert tat es mit einem Schulterzucken ab. Seine Gedanken waren weit von Lenka oder ihrem steinernen Knäblein in seiner Welt aus Spiritus entfernt. Auch dir, Geliebter, dachte er, werde ich nicht erzählen, was ich im Geheimen dachte, als ich dich nach Vargasz sandte: dass du der Bauer seist, den ich zur äußersten Linie des Gegners vorschieben müsste, damit er sich dort für die weiße Königin opfert.
Er legte seinen Arm um Fabrios Schultern, sah ihn von der Seite her an, und ein scharfer Schmerz fuhr durch seine Brust. Ich war bereit, dich zu opfern, Fabrio, unter entsetzlichen Schmerzen, und gerade diese Qualen hätten mir bewiesen, wie grandios ich bin, wie selbstlos, wie sehr über diese Puppenwelt erhaben.
Tatsächlich wäre ihm das Opfer fast gelungen – in d’Alemberts weißem Pelz, auf seinem Schimmelhengst hatte sich Fabrio auf den gefahrvollen Weg gemacht, kaum dass der Lumpenteufel ausgeflogen war. Schon die Stadt zu verlassen, hatte Kühnheit erfordert, denn auf Mulars Befehl waren Tore und Mauern bei Tag und Nacht bewacht worden. Doch Fabrio hatte traumwandlerisch zu einem der Gardisten gefunden, die seit langem nach dem schönen Syrakuser schmachteten, sich einen Kuss und wenig mehr ablisten lassen und war durchs Tor hindurch.
Bei scharfem Frost trug ihn der Hengst des Maître binnen zweier Stunden bis hinauf nach Vargasz, an die nördliche Grenze der Grafschaft, wo wiederum Gardisten standen. Argwohn schlug ihm im Dorf entgegen, allzu frisch die Wunden, die Unçerek und Fondor geschlagen hatten, niemand war bereit, ihm einen Pfad vorbei an den Grenzern zu weisen.
Im Abenddämmer versuchte er es auf eigne Faust. Ein schmaler Pfad zog sich vom Weiler zum Wachposten hinauf, spiegelnd vor Eis, durch winterkahlen Wald. Keine Deckung für Pferd und Reiter, keine Bahn, auf der sich notfalls fliehen ließe. Er stellte das Pferd bei einem Bauern unter, bleichte sein Gesicht mit Talg, den er vorsorglich mitgenommen hatte, band ein weißes Tuch um seinen Schopf und kroch bei sinkender Sonne den Wald hinauf. Schneewehen, umgestürzte Bäume gaben dürftige Deckung, Raben krahrahten in den kahlen Wipfeln Alarm, einmal krachte ein Schuss, keine dreißig Schritte voraus: Einer der Grenzsoldaten hatte blindlings die Pistole abgefeuert, verängstigt oder gelangweilt, Fabrio jedenfalls blieb so lange hinter seinem Baumstamm liegen, bis er auf dem Eis fast angefroren war.
In dunkler Nacht war er endlich bis auf drei Schritte heran. Ein Feuer mitten auf dem Pfad, daneben eine Hütte, eine Gestalt, die schwarz und katzenhaft reglos bei den Flammen hockte. Dahinter wieder Wald, und der dunkle Würfel zwanzig Schritte weiter, das musste schon die Poststation sein, wo der Bote der Stradová saß.
Sich den Weg wiederum freizukaufen, durch erduldete Küsse und Ärgeres, schien selbst dem Syrakuser zu gefährlich. Nicht jeder Gardist war bereit, für ein paar Augenblicke saftigen Gerangels sein Leben hinzugeben. Also zog Fabrio das Messer hervor, das er auf d’Alemberts Geheiß aus dem gräflichen Schlachthaus entwendet hatte, schlich noch näher an den Wachposten heran, stürzte sich auf ihn und hatte seine Kehle schon durchgeschnitten, ehe der Kater auch nur Auweh miauen konnte.
Fabrio ließ ihn zu Boden gleiten, schob das Messer mit zitternder Hand zurück in d’Alemberts Umhang und rannte, so schnell er konnte, auf spiegelglattem Pfad weiter, bis zur Poststation, wo er gegen das verrammelte Tor schlug und nach langem Fluchen und Flehen herausfand, dass der kaiserliche Bote einen sieben Krüge tiefen Schnapsrausch ausschlief.
Nachdem der Syrakuser in die Schlafkammer des Ungetreuen vorgedrungen war, den brummigen Boten wachgerüttelt, das blutige Messer vorgezeigt, d’Alemberts Brief ausgehändigt, den Kerl in seine Stiefel geflucht und ihm alle Seuchen dieser Welt an den Hals gezetert hatte, für den Fall nämlich, dass er nicht stracks nach Prag reiten und der Stradová den Brief des Maître aushändigen würde, warf Fabrio den Winterumhang d’Alemberts ab und sich selbst ins Bett des Boten, wo er so lange verkrochen blieb, bis Oberst Hoyos ihn wecken ließ und die Dame in Weiß ihm befahl, in ihre Kutsche einzusteigen.
Und rätselhaft, dachte nun d’Alembert, indem er sich von Fabrio auf die Beine helfen
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