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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ließ – unbegreiflich bei alledem ist ja nur, warum ich vor drei Tagen noch glaubte, ihn durchaus dorthin schicken zu müssen, in tödliche Gefahr. Wieder und wieder hatte er geträumt, wie Hezilow und er selbst einander in zwei Eichkronen gegenübersaßen, droben im Schlosspark, und unter ihnen standen oder hockten ihre Figuren, schwarze und weiße, hier die Lumpenkerle, dort die Maler, Musiker, Syrakuser, hintersinnig verteilt im Gras. Und d’Alembert hatte den Bauern Fabrio zur äußersten gegnerischen Linie gesandt, und die weiße Dame Katharina war tatsächlich erschienen; und gleichwohl war es ein ganz und gar sinnloser Zug, dachte der Maître, aus mindestens zwei Gründen.
    Weil weder Weiß noch Schwarz jemals dieses Spiel gewinnen konnten, in dem es nur einen König gab. Und weil wir das Spiel unsres Lebens schon verloren haben, wenn wir bereit sind, unsere Geliebten zu opfern für einen wie auch immer ausgeklügelten Plan.
    Einige Augenblicke grübelte d’Alembert diesen Gedanken noch hinterher, aber sie zerfaserten schon wie Nebelschwaden in der Morgensonne.
    Der Syrakuser half ihm, sich auf sein Lager zu betten, und nachdem er die Phiole geöffnet und die dunklen Tropfen in Champagner gelöst hatte, schlüpfte Fabrio unter die Hermelindecke d’Alemberts.
    »Vergiss nie, was du mir versprochen hast.«
    »Keine Tränen, keine Trauer«, krächzte Fabrio, »ich gelob’s.« D’Alembert leerte den Schierlingskelch, wie er es sich seit langem ausgemalt hatte: in gelassener Stimmung, nach stiller Rückschau, den Geliebten in seinen Armen.

  86
     
     
    Die Stallburschen lauerten linkerhand hinter den Fenstern, die Kuchelmägde zur Rechten, doch es war ihr gleich. Vom Butterhaus her erklang gedämpftes Prusten, aus der Schmiede ein gepresster Ausruf:
    »Meiner Lieb, der närrische Graf!«
    Julius hört es ja nicht, sagte sich Markéta, er lebt in seiner eignen Welt, in der niemand seine Majestät bezweifelt oder gar verlacht.
    Tatsächlich schritt der junge Graf in so stolzer Haltung neben ihr durch den Burghof, als ob zu seiner Rechten sämtliche Reichsfürsten knieten und zu seiner Linken alle Potentaten des Morgenlandes. Wie immer in den letzten Wochen trug er seinen scharlachroten Krönungsmantel und die achteckige Silberkrone, allerdings war es nicht ganz leicht gewesen, ihn auch zu Hemd, Wams und Hosen zu bereden. In seinen Gemächern duldete Julius keine Kleidung mehr an seinem Körper, ausgenommen den gräflichen Habit.
    Huldvoll neigte er nun sein Haupt in Richtung der Schweineställe, die Kuchelmaiden kicherten in ihrem Rücken, und doch fühlte Markéta zum ersten Mal nach Wochen voller Kummer wieder etwas Zuversicht. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, und obwohl die Moldau immer noch zugefroren war, lag bereits ein Hauch von Frühling in der Luft. Man schrieb den 11. Februar 1608, und was sie insgeheim befürchtet hatte, war tatsächlich eingetreten: Die mütterliche Mätresse übte einen üblen Einfluss auf Julius’ Befinden aus.
    Aber die Stradová würde es sowieso nicht mehr lange hier in Krumau aushalten, sagte sich Markéta, immer schmerzlicher schien sie den Glanz der Prager Burg zu vermissen, die Nähe der kaiserlichen Majestät.
    Tatsächlich war es seit Neujahr immer schwieriger mit Julius geworden, sogar sie selbst hatte sich zuweilen bei dem Gedanken ertappt, dass sein Geist womöglich für immer verdunkelt bleiben würde. Den ganzen Januar über hatte sie die verschiedensten Finten erprobt, um Julius zumindest stundenweise aus seinem Gemach zu locken, hinüber in den großen Saal oder hinaus in die klare Winterluft. Sie hatte ihm vorgeschlagen, Sargenfalt in seiner Turmstube zu besuchen oder nach den Bären im Graben zu schauen, in d’Alemberts Wundersammlung zu stöbern oder das Schauspiel anzusehen, das die wenigen Künstler, die noch auf der Burg geblieben waren, zur Monatsmitte aufführen wollten. Doch jeder dieser Versuche, ihn aus dem Bannkreis des unseligen Porträts zu locken, hatte Julius nur in fürchterlichen Zorn, ja in schiere Raserei versetzt.
    Heute Morgen aber war Markéta auf eine Lösung verfallen, so nahe liegend, dass sie kaum mehr begriff, warum sie nicht längst schon daran gedacht hatte. Wenn Julius drauf bestand, das Bildnis ständig vor Augen zu haben, dann würden sie es eben vor ihm hertragen, durch Säle und Gänge, über Treppen und Höfe, wohin auch immer er lustwandeln würde.
    Und so geschah es nun, zur Belustigung der Dienerschaft, die

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