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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Wie oft hatte sie damals, als niederste Hilfsmagd der gräflichen Kuchelpartei, zu den Fensterluken emporgespäht und sich schaudernd vorgestellt, in einer dieser Zellen gefangen zu sein. Wilhelm von Rosenberg hatte die Turmfassade prachtvoll bemalen lassen, doch die unteren Etagen, so hatte sie damals die Kuchelmägde munkeln gehört, dienten noch immer als Kerker, hinter dessen Mauern manch ein Unglücklicher lebendig begraben war.
    Sie stieg eine Wendeltreppe empor, Stockwerk um Stockwerk hinter Bronja und Lisetta, die in Holzpantinen voranklapperten, und gelangte endlich in einen breiten Gang. Ausgeblichene Teppiche bedeckten den Boden, altersdunkle Ölgemälde jede Handbreit freier Wand. Wohlgeborene Herren blickten unwirsch auf die Baderstochter herab, die meisten von ihnen machten den Eindruck, als ob sie sich in ihren engen Gewändern, kinnhohen Stehkragen, aufgetürmten Perücken unbehaglich fühlten.
    Markéta selbst hatte das schwere, burgunderrote Kleid mit dem eckigen Dekollete, das die Zofen im Ankleideraum bereitgelegt hatten, nicht einmal anprobiert, wie sehr Lisetta auch geschmollt und Bronja sie beschworen hatte. Stattdessen war sie die vier Dutzend Kleider durchgegangen, die sich in den Schränken neben dem Badegelass bauschten, und hatte sich rasch für ein hellbraunes, streng geschnittenes Exemplar entschieden, das an gewissen Stellen zwar ein wenig eng saß, jedoch die beiden entgegengesetzten Übertreibungen der restlichen Modelle vermied: Weder reichte sein Kragen bis zu den Ohren hinauf, noch entblößte sein Dekollete den Busen bis knapp über dem Nabel. Anstelle der bequemen Pantinen, die sie zu Hause zu tragen pflegte, wenn sie nicht gleich barfüßig umherlief, hatte sie allerdings ein Paar türkisfarbener Chopinen wählen müssen, sieben Zoll hohe Stelzschuhe, die als Einzige ihren Füßen genügend Raum boten.
    Unsicher schwankte sie auf den Chopinen voran, und bei jedem Schritt kniff das Kleid sie in der Taille. Von ihrem Kampf gegen Stehkragen und Dekolletes ermattet, hatte sie unter halbherzigen Protesten geduldet, dass Bronja ihr die Haarspitzen bleichte und Lisetta ihr rosa Schminkpuder auf die Wangen tupfte. Und mit jedem Duftspritzer, jedem Pinselstrich hatte sie sich ängstlicher gefragt, ob sie nicht wahrhaftig zu jenem Zweck gedungen worden war, den sie vorhin in den Gesichtern der beiden Zofen entziffert hatte: als gräfliche Liebesdienerin oder allenfalls als seine Mätresse, falls es ihr gelänge, die Zuneigung des jungen Herrn zu erringen, über erste Glut und Brunst hinaus.
    Die Hitze stieg Markéta in die Schläfen, vor Empörung und Scham, aus keinem anderen Grund, auch wenn sie nun aufs Neue jene ziehende, keineswegs geheure Erwartung in ihrem Innern spürte. Der Blick seiner braunen Augen, dachte sie wieder, das leise Zucken seiner Lippen, das darum zu flehen schien, durch einen Kuss gestillt zu werden, die Moschussüße seiner Haut …
    Bronja und Lisetta blieben so unvermittelt stehen, dass Markéta beinahe gegen sie lief. Die blonde Zofe klopfte an eine Tür, beide lauschten, dann drückte Bronja die Klinke und sank, noch während die Tür aufging, zu einem Knicks zusammen.
    »Euer Gnaden – Madame Markéta!«

  17
     
     
    »Hier bin ich, Exzellenz«, sagte die Baderstochter mit ihrer klaren, ein wenig spröde klingenden Stimme und trat ohne weiteres an der knicksenden Zofe vorbei ein.
    Julius war aus seinen Grübeleien aufgeschreckt und sah ihr entgegen, wie sie mit störrischer Miene auf ihn zukam, Rücken und Hals hoch aufgerichtet, obwohl sie ihm geradewegs ins Antlitz sah, ihm, Don Julius Caesar, Graf von Krumau, ihrem durchlauchtigsten Herrn. Auch Giacomo da Biondo hatte sich halb zur Baderstochter umgewendet, mit verdrießlicher Miene, doch Markéta nickte ihm nur zu und ging langsam weiter ins Zimmer, dabei ihren Blick aufs Fenster heftend.
    Na meinethalben, dachte Julius, vor sich selbst konnte er’s ja eingestehen: Was ihm an dieser Bürgersmaid gefiel, war nicht nur ihre Verwendbarkeit in dem flauen Spiel, das er seit Jahr und Tag gegen seinen Maître spielte. Er brauchte sie nur anzusehen, da begann sich sein Gemüt wie durch einen Zauber aufzuheitern. So etwas war ihm noch nie geschehen, schon gar nicht bei einem einfachen Mädchen aus dem Volk oder bei einem der Hürchen in den Schänken, die sich unterm Hradschin duckten. Mariandl!, durchfuhr’s ihn. Gewaltsam riss er seine Gedanken von ihr los.
    »Das berühmte Moldau-Panorama der

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