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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Das matte Blut der seit Generationen Gemälde verhökernden da Stradas – in meinen Adern mit den heiligsten Habsburger Säften vermengt! Ahnst du nun, welcher Riss durch meine Seele geht, Markéta, wie der abscheuliche Bilderhändler in meinem Innern immer wieder meine edelsten Regungen verhöhnt? – Ah, wie könntest du’s verstehen, Baderstochter!«, fiel er sich selbst ins Wort, als er ihre Miene sah, in der sich Mitleid mit Erschrecken mischte.
    »Oder gar, was es für mich bedeutet, hierher verbannt zu sein!«
    »Verbannt, Exzellenz?«, wiederholte sie und sah ihn so bekümmert an, als ob der kaiserliche Stoß sie selbst getroffen hätte.
    Wie brachte sie ihn nur dazu, ihr seine geheimsten Gefühle zu offenbaren? Das war ja gerade so, als ob sie ihn verzaubert hätte! Er machte eine wegwerfende Armbewegung. »Zurück zum Nabellosen. Du weißt nicht, woher er kam? Dann lass es dir vom Kaiserbastard sagen, kleine Maid.«
    Er trat auf sie zu, und Markéta setzte wieder ihr störrisches Gesicht auf. »Ihr seid ihm schon mal begegnet, Exzellenz?«, fragte sie. »Aber warum wart Ihr dann so verwundert, als der Vater Euch zeigte, was es mit Flor auf sich hat?«
    »Die Exzellenz steck dir einmal sonst wohin«, gab Julius zurück, »meinethalben in deinen Busen oder auch weiter südlich.« Er weidete sich an ihrem Schrecken, der die störrische Maske wieder brüchig werden ließ. »Nenn mich gefälligst Don Julius oder, besser noch, einfach Julius. Ich befehl’s.«
    Er bot ihr den Arm, und nach kurzem Zögern hängte sich Markéta bei ihm ein. Sie hat just die richtige Größe, dachte Julius, er verabscheute Frauen, die ihn körperlich überragten, was allerdings nur wenigen glückte, sogar mit Hilfe der modischen Stelzschuhe, doch ebenso wenig vertrug er’s, neben einer Frau zu schreiten, die weit kleiner war als er. Beides schien ihm unwürdig, Sinnbilder seiner widrigen Lage: Die Riesin drohte ihn in Bastardtiefe niederzuhalten, die Zwergin verhöhnte sein Streben als Überhebung. Mit Markéta indessen, deren Scheitel ihm bis über die Schulter reichte, fühlte er sich gleich behaglich und vertraut.
    »Gehen wir zum Turm«, sagte er, »da wird sich zeigen, ob dein Flor wirklich jener ist, der mir verheißen wurde.«
    »Verheißen?«, wiederholte sie und machte große Augen, während Julius sie zur Tür hin mit sich zog.
    »Na, durch den Kometen«, erklärte er, nun doch wieder befremdet über ihre Begriffsstutzigkeit. »Letzte Woche stand der Schweifstern über der Prager Burg, brandrot und von der Gestalt eines Drachen, und ein gewisser Astrolog hat ihm abgelesen, dass mich weitab von Prag eine künstliche Figur aufsuchen werde, erschaffen durch alchymische Magie. Et voilà!«
    Von der Seite her lachte er ihr ins Gesicht, dabei die widerstrebende Markéta, die sich nur mühsam auf ihren Chopinen hielt, immer weiter mit sich ziehend, den Gang mit den altersdunklen Krumauer Ahnen entlang und die breite Haupttreppe hinab in den innersten Burghof, dessen Wände Wilhelm von Rosenberg vor vierzig Jahren mit illusionistischen Plastiken hatte bemalen lassen, mit Pilastern und Scheinnischen, Fenstern, Friesen und Reliefs.
    »Der alte Rosenberg«, bemerkte Julius, »hätte besser getan, die mürben Mauern niederreißen zu lassen, statt sie mit Lüge und Täuschung zu bepinseln.« Er zog Markéta, die staunend um sich sah, immer weiter, den abschüssigen Platz hinunter und auf den Durchgang zum zweiten Burghof zu. »Wilhelm war ein unverbesserlicher Kunstnarr – einerseits«, fügte er hinzu, »andererseits ein weiser Mann und bedeutender Adept. Weißt du übrigens, dass ich schon als Junge ein paarmal hier in Krumau war?« Unvermittelt blieb er stehen. »Einmal war ich dabei, im Gefolge meines Vaters, als der alte Wilhelm droben in seinem Garten Goldtaler pflanzen ließ.« Er lachte laut auf, als er Markétas entgeistertes Gesicht sah, beugte sich plötzlich über sie und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Dann zog er sie weiter mit sich, in den tieferen Burghof hinab, ohne sich um die Röte zu bekümmern, die ihr Antlitz in Flammen setzte.
    Wie wundersam vertraut er sich mit ihr fühlte, vielleicht gar nicht viel anders, als die väterliche Majestät sich an der Seite der mütterlichen Mätresse empfand? Der zweite Burghof war weit belebter als die obere Burg, in der sie bloß ein paar Domestiken begegnet waren. Hier auf dem weiten Platz, der von den Strahlen der Abendsonne beschienen wurde, tummelten sich die

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