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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Teich herum, diesmal dem Uhrzeigersinn folgend. In die falsche Richtung gelaufen, dachte er und spürte ein Brennen in der Kehle. Aber ruhig Blut: Verlaufen ist noch lange nicht verirrt.
    Er bog in die abschüssige Allee ein, in seinem Bauch rumorten die Bestien der Vorahnung und des nahenden Unheils. Schon von weitem sah er den Soldaten in der Uniform der Salvaguardia, der ihm in taumelndem Lauf entgegeneilte.
    »Ein Besucher, am untern Tor«, rapportierte der Bursche, als er endlich vor ihm stand; stoßweise hob und senkte sich seine Brust unter dem blauen Rock. »Ein Russe, heißt es. Der Mann begehrte dringend Einlass.«
    D’Alembert fixierte die Schrammen auf der rechten Backe des dicklichen Gardisten; diesmal würde er den Kerl zur Rede stellen.
    »Raufereien stehen unter Strafe, Mular«, sagte er, »mit wem bist du handgemein geworden?«
    Jan Mular tastete mit spitzen Fingern nach den Striemen. »Mit der Badersmaid«, murmelte er, und seine Augen wurden zu Schlitzen.
    D’Alembert zog es vor, das Thema zu wechseln. »Und wie nennt sich der Mann am Tor?«
    »Der Fremde bezeichnet sich als Puppenmacher, Herr Obersthofmeister.« Mular schlug die Hacken zusammen.
    »Seinen Namen weiß ich nicht, aber der Herr Graf hat bereits befohlen, ihn einzulassen.«
    Um Himmels willen, dachte der Maître, spürte wieder die Bestien in seinem Bauch und setzte eine gleichmütige Miene auf. »Es ist gut«, sagte er, schon zum zweiten Mal an diesem Morgen. »Lauf zurück und sorge dafür, dass der Besucher am unteren Burgtor aufgehalten wird, bis ich ihn begrüßt habe.«
    »Das ist leider nicht möglich, Herr Obersthofmeister.«
    »Und warum nicht?«, fragte d’Alembert.
    »Weil der Herr Graf sich mit dem russischen Puppenmacher bereits in den Hungerturm begeben hat, Herr Obersthofmeister, den Gefangenen inspizieren, von dem es heißt, dass er ein Apparat aus Metall und Rädern wär.«
    »Blödsinn, Bauerntölpel!«, rief d’Alembert. »Kein Wort mehr, sonst landest du im Turm!«

  21
     
     
    Ich muss lernen, dachte Markéta, so schnell wie möglich lernen, um meinetwillen und für ihn. O mein Gott, der arme kleine Flor. Zum hundertsten Mal überlegte sie hin und her, ob sie vorhin richtig gehandelt hatte, als sie sich ohne Widerwort hierher führen ließ, zurück ins Frauenzimmer. Wie ein Osterlamm!, schalt sich Markéta, aber dann wieder: Was hätt ich schon ausrichten können – gegen Don Julius’ Befehl?
     
    Unschlüssig sah sie zu den beiden Zofen empor, die mit verriegelten Mienen vor ihr standen, mitten im Empfangsraum. Meine Zofen, dachte sie, von Bronja zu Lisetta blickend, das muss doch ein verrückter Traum sein? War ich nicht gestern noch ein Mädchen wie sie – und jetzt? Sitz ich hier auf lachsfarbenen Seidenpolstern, und die beiden weigern sich, in meiner Gegenwart auch nur Platz zu nehmen. Und da draußen ist Hezilow und wickelt Don Julius mit schmeichlerischen Lügenreden ein! O mein Gott, der arme Flor, dachte sie wieder, womöglich ist Hezilow schon bei ihm im Turm!
    Sie riss sich aus ihrer Erstarrung heraus, erhob sich und stelzte der Tür entgegen.
    »Don Julius hat befohlen, dass Ihr hier im Frauenzimmer bleibt – Madame.« Mit katzenhafter Raschheit war Bronja schon bei der Tür, während Markéta noch mit den Chopinen kämpfte. Die Zofe lehnte sich mit dem Rücken gegen das Türblatt, und ihr üppiger Busen hob und senkte sich in raschem Takt.
    »Bin ich denn seine Gefangene, über die er so einfach verfügen kann?« Markéta sah der Kindheitsgefährtin ins Gesicht; mehr noch als Bronja, erkannte sie plötzlich, galt die Frage ihr selbst. Und die Antwort lautete – musste unbedingt lauten: Nein, sonst bin ich verloren, und Flor mit mir. »Gib die Tür frei.«
    Einen Moment lang sah Bronja sie nur reglos an, aus sich verengenden Augenschlitzen. Dann senkte sie den brünetten Schopf, strich ihre Schürze glatt und trat zur Seite.
    Na also, dachte Markéta. In ihrem Rücken spürte sie die Gegenwart Lisettas, die sich sicherlich nicht von der Stelle gerührt hatte, starr vor Befangenheit und Furcht. Sie legte eine Hand auf den Riegel und zog die Tür auf.
    Draußen stand noch immer Franz Brodner, der sie vorhin vom Hungerturm heraufgebracht hatte – geleitet oder abgeführt, je nachdem. Sie trat hinaus auf den dämmrigen Flur. »Bring mich nach unten, Franz, ich muss Don Julius sprechen.«
    »Das … geht nicht, der Herr Graf hat befohlen …« Der Gardist straffte seine Schultern und sah

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