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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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oder Erregung zuckten.
    Er ist voller Bitterkeit und Finsternis, dachte sie. Oft genug hatte sie gesehen, wie selbst starke Männer erblassten, wenn nur der Name dieses Kaisersohns fiel: Don Julius Caesar d’Austria. Ihr aber flößte er nicht Furcht ein, sondern den höchst beunruhigenden Drang, das Zucken seines Mundes mit ihren Lippen zu stillen.
    »Also noch einmal, du elende Kreatur: Wo ist der Magister – so red schon, wo hält er sich auf?«
    »Kre-kreatur!«
    Sie richtete ihren Blick auf Flor, der sich im hintersten Winkel seiner Zelle zusammengekauert hatte, den Goldschopf auf die Brust gesenkt. Julius stand noch immer dicht vorm Gitter, zwei Stangen so fest umfassend, dass die Knöchel kalkweiß aus dem Braun seiner Hände hervorstachen.
    »Ich kenne Hezilow«, sagte sie leise. Julius wandte sich um zu ihr, auch Flor in seinem Winkel hob den Kopf und spähte zu ihr herüber.
    »Ein Puppenmacher aus Moskau – das behauptet er jedenfalls«, fuhr sie fort. »Seit einer Woche hockt er an jedem Vormittag bei uns im Zuber.«
    »Ein Puppenmacher?«, wiederholte Julius. »Aber ja, das muss er sein – der Erleuchtete, der mir prophezeit worden ist, ein Alchimist, der aus Erde und Licht lebendige Puppen erschafft.« Er ließ die Gitterstäbe los, drehte sich vollends herum und war mit einem einzigen raubtierhaften Satz bei ihr. »Erzählt mir von diesem Hezilow, Madame – wo wohnt er, was wisst Ihr noch von ihm?«
    »Wo er haust, weiß ich nicht«, sagte sie rasch. Tatsächlich wusste sie überhaupt nichts mehr, zumindest nicht in diesem Augenblick, so schwindlig machten sie Julius’ Nähe und die ganz und gar fremde Welt, in die sie geraten war. Hezilow ein erleuchteter Magister? Und der Nabellose seine Kreatur, von dem verrückten kleinen Russen erschaffen aus Sonnenlicht und Dreck? Und jetzt legte Julius auch noch seine Hände um ihre Mitte und zog sie mit einer raschen Bewegung an sich heran.
    »Nach meiner Erfahrung, Exzellenz«, fuhr sie atemlos fort und versuchte ihn zum Gitter hin wegzuschieben, »taucht der Kerl immer dann auf, wenn man ihn am wenigsten gebrauchen kann.«
    »Dann zwingen wir ihn so unfehlbar herbei.« Er zog sie noch enger an sich, und sein heißer Atem strich ihr übers Gesicht.
    »Denn im Moment, ich gesteh’s, wünsch ich den Puppenmacher wahrhaftig zum Teufel.« Er presste sie an sich.
    »Lasst mich los, Don Julius – oder ich schrei!«
    Die Drohung schien ihn zu erheitern, jedenfalls ließ er ein leises Glucksen hören, während seine Hände sich wie Klammern um ihre Mitte schlossen. Markéta wurde angehoben und verlor buchstäblich den Boden unter den Füßen. Zugleich näherten sich Julius’ Lippen energisch ihrem Mund. Für einen Moment wurde ihr so schwindlig, dass sie nur noch tanzende Schatten vor Augen hatte. Irgendwo hinter ihnen stieß der Nabellose kurze, hohe Schreie aus, die wie die Laute eines verstörten Vogels klangen. Wenn Flor wirklich von Hezilow erschaffen wurde, dachte sie benommen, muss er doch aus jener Nebelwelt kommen? Aber dann müsste er ja wahrhaftig wissen, worunter Mutter Bianca dort so sehr leidet und wie ich ihre Qualen lindern kann.
    Sie selbst fühlte sich wie im Nebel. Endlich wurde ihr Blick wieder klarer, und da fand sie sich in Julius’ Armen eher liegend als stehend, seine Lippen zwei Zoll vor ihrem Mund. Was bildet er sich ein?, dachte sie erschrocken. Ich bin doch nicht seine Hur!
    »Euer eigner Vater hat Euch verbannt?«, stieß sie hervor, in dem verzweifelten Versuch, seine Leidenschaft abzukühlen.
    »Aber warum denn?« Kaum hatte sie es in gepresstem Ton gefragt, als seine Gestalt schlaff wie eine Lumpenpuppe wurde. Seine Hände sanken herab, und er wich zurück von ihr. »Eine Intrige«, murmelte er. »Ich soll ein … eine Maid gemeuchelt haben – das Mariandl. Aber es ist nicht wahr!«
    Eben schien Julius zu weiteren Eröffnungen anzuheben, als von der Treppe her schnelle Schritte erklangen. Drei hastige Herzschläge später stand ein Soldat der gräflichen Salvaguardia vor ihnen.
    »Melde gehorsamst, Euer Gnaden – am untern Burgtor wartet ein Subjekt, das Euch dringend zu sprechen begehrt.«
    »Wie heißt der Mann?«, fragte Julius, dessen Schultern sich bei diesen Worten bereits wieder strafften.
    »Er nennt sich Jurij Hezilow, Exzellenz, und gibt vor, ein kaiserlicher Puppenmacher zu sein.«
    Julius warf Markéta einen strahlenden Blick zu.
     
    »Ausgezeichnet«, sagte er. »Geleite Madame zurück in die Frauengemächer

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