Der Alchimist von Krumau
– deine Herrin. Ich selbst werde den Magister am Tor empfangen.«
»Aber ich will nicht in die Frauengemächer«, protestierte Markéta, »Ihr könnt mich nicht einfach …«
Julius’ helles Lachen brachte sie zum Verstummen. »Warte nur, Badersmaid.« Er beugte sich zu ihr hinab und führte seine Lippen dicht vor ihr linkes Ohr. »Du wirst staunen, was ich alles kann!«
Immer noch lachend, richtete er sich wieder auf, zwinkerte ihr jungenhaft zu und lief schon die Treppe hinab, so rasch, dass seine Schritte den Turm mit polternden Echos füllten.
Dreister Aufschneider, dachte Markéta, doch das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Im Grunde fand sie es lächerlich, wenn Männer sich so imposant betrugen wie die Hirsche im Wald. Bisher hatte sie erst ein einziges Mal die Küsse und Umarmungen eines Burschen geduldet, zwei Jahre war das her. Und damals war sie es gewesen, die den jungen Freier draußen am Moldauaufer überrumpelt hatte: Auf geht’s, Brodner Franz, leg dich her zu mir und küss mich! Bei Don Julius aber verhielt es sich anders. Wenn er sich so herrisch betrug, spürte sie immer den Schmerz und die Bitterkeit, seine Scheu und Einsamkeit, die er hinter anmaßenden Gebärden verbarg.
»Bitte folgt mir, Madame, Ihr habt gehört, was der Herr Graf befohlen hat.«
Die seltsam vertraute Stimme riss Markéta aus ihren Grübeleien. Als sie aufblickte, stand vor ihr just der Bursche aus verliebten Jugendtagen, an den sie eben gedacht hatte: mit denselben semmelblonden Haaren und wasserhellen Augen wie vor zwei Jahren, nur dass seine Gestalt ungemein kräftig geworden und vom moldaublauen Drillich der gräflichen Gardistenuniform umschlossen war.
»Franz?«, sagte sie. »Bist du’s wirklich?« Sein Grinsen, halb erfreut und halb verlegen, bewies, dass er’s tatsächlich war.
»Der Brodner Franz?«, rief Markéta aus. »Mikesch hat mir ja schon erzählt, dass du auch zu Don Julius’ Garde gehörst. Aber wie du dich verändert hast, Kerl! Und redest mich hier an mit
›Befehl‹ und ›Madame‹, ohne ein Zeichen, dass du mich erkennst? Heda, Franz, hat dir jemand’s Maul zugenäht?«
»Klar hab ich dich erkannt«, sagte der Gardist und wagte anscheinend nicht die Stimme zu heben. Auch blieb er starr vor ihr stehen wie eine Ritterrüstung, nur seine Augen huschten unruhig hin und her. »Aber mir als Soldat steht’s ja nicht zu, mit dir zu reden – mit Euch, Madame«, fügte er hinzu und richtete auch die Augen wieder starr geradeaus.
»Ach, Franz«, sagte Markéta mit einem Seufzen, denn auf einmal war ihr alles wieder eingefallen: wie langweilig der Brodner Franz sein konnte, ergeben, gewissenhaft und von einschläfernder Einfallslosigkeit. »Na, dann bring mich halt in die Frauengemächer«, sagte sie, »Befehl ist Befehl, oder?«
Gardist Brodner schlug die Hacken zusammen. »So ist es, Madame!«
20
Maître d’Alembert lief auf den dritten Burghof hinaus und vergaß für Momente sein Unbehagen, versunken in den Anblick der wundervollen Wandgemälde, für die Wilhelm von Rosenberg den legendären Gabriele gewonnen hatte. Andere Fürsten des letzten Jahrhunderts, dachte er, ließen ihre Burgen niederreißen und antikische Säulenhallen mit Plastiken, Reliefs und Fresken nach neuem Geschmack errichten. Der große Wilhelm aber, Ritter vom Goldenen Vlies, ließ sich, weit kühner und genialischer, Kapitelle und Skulpturen auf die alten Mauern malen.
Don Julius, durchfuhr es ihn gleich darauf, er musste seinem Schützling ins Gewissen reden, unverzüglich. Katharina da Stradas Brief bedrückte ihn immer stärker, je länger er über ihn nachdachte:
»Vollkommene Ruhe in Krumau, oder der kaiserliche Zorn wird uns alle verderben.« Er würde offen mit seinem Schützling reden, dachte er, so offen jedenfalls, wie es irgend ratsam schien. Don Julius einschüchtern, das hatte bisher immer noch gewirkt, selbst wenn alle anderen Mittel versagten. Er muss mir schwören, sagte sich der Maître, dass er sich an Recht und Gesetz halten wird, zumindest bis das Jahr sich neigt. Schaudernd sah er die Umrisse eines mährischen Bauerngehöfts vor sich, Julius und er selbst zwischen windschiefen Scheunen und schlammverkrusteten Ochsenkarren. Das ist Verbannung, mon ami! Aber so weit würde er es nicht kommen lassen, dafür hatte er nicht bald zwei Jahrzehnte lang an der Bändigung des Bastardsohns gearbeitet: um sich auf seine alten Tage mit mährischen Ochsen und Knechten herumzuschlagen!
Mit einem
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