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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Markéta wieder, mit Vater Sigmund – auch wenn sie jetzt schon wusste, dass sie gerade die Fragen, die ihr am ärgsten auf der Seele brannten, unter seinem bekümmerten Blick kaum hervorwürgen könnte. Und dennoch, sie war es dem Bader und sich selber schuldig, sagte sie sich, während ihr neuerlich Tränen in die Augen traten; armer Vater Sigmund, von Bianca verlassen und nun auch von mir.
    Aber hatte der Bader sie nicht regelrecht in die Burg hinauf abgeschoben, bei der erstbesten Gelegenheit?, dachte sie dann wieder, während Julius drüben auf die Lichtung sprengte, durch Fanfare und Hurra der Jäger und Treiber begrüßt. War es ihr nicht schon damals im Thronsaal sonderbar erschienen, überlegte sie weiter, wie geflissentlich der Bader ihre Mutter hervorgestrichen hatte, ohne auch nur anzudeuten, dass er selbst der Gemahl und Vater sei?
    Nein, so eigentümlich hätte der Bader sich gewiss nicht gebärdet, wenn er Biancas Geheimnis nicht seit langen Jahren kannte, sagte sich Markéta, während Julius von seinem schwarz-weiß gescheckten Hengst sprang und mit strahlendem Lächeln auf sie zulief. Sein Gewand war mit Blut besprenkelt, auch seine Hände, selbst auf Stirn und Wangen klebte Blut. Ein Schauder überlief Markéta, sie sprang auf und hielt den Atem an, als er vor sie trat, so nahe, dass der Geruch seines Körpers sie umhüllte; ein überwältigendes Duftgemenge aus Jägerschweiß und Fichtenharz, Unterholz und Blut.
    »Ihr werdet staunen, Madame!« Er rief es mit heller Stimme, bübische Freude in den Augen, dann beugte er sich vor, nahm ihre Hand in seine blutbeschmierte Rechte und hauchte einen Kuss darauf. »Begleitet mich und seht selbst, wie sehr unsere kühnsten Erwartungen übertroffen wurden!« Und er zog sie mit sich, über die weite, sonnenbeschienene Lichtung zu den Jägern hinüber, die im Schatten der Eichen lagerten, auf Baumstämmen, Felsbrocken, im Gras.
    Der Maître beaufsichtigte nahebei eine Schar von Kuchelmaiden, die Leintücher im Gras ausbreiteten und Teller, Zinnbecher und Messer aufdeckten. Einige Dutzend Schritte abseits waren die Hunde angekettet worden, vor einer Mulde voll blutiger Eingeweide, um die sie kläffend und zähnefletschend kämpften.
    Markéta klammerte sich fester an Julius’ Arm. »Ihr seid ein Kind, Monsieur – im Körper eines Mannes«, setzte sie, sehr zu ihrer eigenen Verwirrung, hinzu.
    Julius grinste sie von der Seite an. »Und wer gefällt Euch besser, Markéta – der Knabe oder der Mann?«
    »Nun – alle beide, wenn auch selten zur gleichen Zeit«, gab sie zurück, entschlossen, die Hitze zu ignorieren, die ihr wieder in die Wangen stieg.
    »Und Ihr seid Euch jederzeit sicher, welchen Knaben Ihr gerade meint?«
    Keine fünf Schritte trennten sie mehr von dem Haufen aufgestapelter Tierkadaver, auf denen Hunderte von Schmeißfliegen umherkrauchten. Der Geruch nach Blut und rohem Fleisch, nach Eingeweide und Kot war betäubend, und obwohl Markéta schon mehr als einmal Karnickel gehäutet oder Schweinehälften zerschnitten hatte, spürte sie nun, wie Übelkeit in ihr aufstieg.
    Unvermittelt blieb sie stehen, sodass auch Julius innehalten musste. »Ich verstehe nicht, Monsieur?«
    »Nun, Eure Bemerkung eben, von dem Knaben – bezog sie sich nicht ein wenig auch auf Flor?«
    »Aber er ist ein Kind!«, stieß sie hervor. Ihre Wangen brannten wie Feuer.
    »Im Körper eines Burschen?« Er zog sie weiter, auf den Beutehaufen zu, aus dem Rehköpfe, Schweineschnauzen, großäugig starrende Hasen hingen, die Löffelohren erdwärts baumelnd und mit Schlamm oder Blut verschmiert.
    »Habt Erbarmen, Monsieur!« Sie zog ein Seidentüchlein hervor und presste es sich vor Mund und Nase.
    Unterdessen hatte Mikesch Slatava einen Bauernwagen, der mit zwei schweren Pferden bespannt war, neben den Kadaverstapel manövriert. Kaum war der Karren zum Stehen gekommen, da packten die Jagdgehilfen, allein oder zu zweien, die ersten aufgehäuften Kadaver und warfen sie unter lautem Hauruck auf den Wagen.
    »Ihr meint – wegen diesen da?« Julius deutete auf einen weißen Hirsch, der einige Schritte abseits im Gras lag, sein Fell so makellos, als ob er nur schliefe. Daneben lagen weitere Körper, anscheinend tot, wenn auch äußerlich unversehrt: eine gewaltige Hirschkuh und drei winzige Kitze, die wie schutzsuchend ineinander verknäult waren.
    »Die Jagd begeistert mich, Madame, das wird Eurer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein. Aber mehr noch als Hirsche zu töten ergötzt

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