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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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als auch der Treiber, der ihn zu den Rehen und Sauen geworfen hatte, mussten so betrunken gewesen sein, dass ihnen Mensch und Vieh in eins verschwommen waren.
    »Versuch noch ein bisschen zu schlafen«, sagte Markéta zu dem Verletzten, dessen ins Leintuch gewickelter Schenkel aussah wie eine Wurst im Weißbrotmantel. »Gleich bringt dich einer der Gardisten mit der Kutsche nach Krumau, ins Hospital droben in der Burg.«
    Sie erhob sich, lächelte dem Flößersohn noch einmal aufmunternd zu, wie Vater Sigmund es bei seinen Patienten zu tun pflegte, und sah sich dann suchend auf der Lichtung um.
    Eben kam eine kleine geschlossene Kutsche auf sie zugeschaukelt, von einer Schecke gezogen, auf dem Kutschbock der Gardist Slatava.
    Weiter hinten, nahe dem Bauernkarren, der unter der Last der Tierkadaver fast zusammenbrach, erspähte sie die drei Kerle mit den verworrenen schwarzen Barten, die sie natürlich als Erstes verdächtigt hatte; aber da hatte sie noch geglaubt, dass Flor verletzt oder sogar getötet worden sei. Und gerade Flor, dachte sie nun, würden Hezilows Spießgesellen doch wohl nicht umbringen wollen, im Gegenteil: Solange der Nabellose am Leben war, konnte der Puppenmacher sich brüsten, ihn erschaffen zu haben, ein toter Flor aber half ihm wenig.
    Auf ihr Drängen hin hatte d’Alembert die drei Gesellen dennoch streng ins Gebet genommen. Sie waren herbeigetrottet und hatten sich in einer Reihe vor dem Maître aufgestellt, die speckigen Mützen in den Händen drehend. »Baschek« nannte sich einer, »Oblion« ein anderer, der dritte »Tákie«, für Markéta sahen sie alle mehr oder minder gleich aus. Ihr Alter schien unbestimmbar, eher dem vierzigsten als dem dreißigsten Lebensjahr nahe, aber die wirren Bärte, die fahle Gesichtsfarbe und die ausgemergelten Leiber unter der dunklen Lumpenkleidung ließen sie möglicherweise älter erscheinen, als sie tatsächlich waren. Bei der Jagd jedenfalls hatten Baschek, Oblion und Tákie als Treiber gedient. Eine Armbrust, mit der sie auf Nico oder irgendwen schießen könnten, besaßen sie alle drei nicht, und nach der Jagd hatten sie nicht beim Einsammeln der Beute geholfen, sondern zusammen mit dem Gardisten Jan Mular sieben Pferde befreit, die vor dem Jagdgeböller talwärts ins Moor geflohen waren. Mular hatte ihre Aussage bestätigt, mit einem hämischen Blick auf Markéta, die nun zur Seite trat, damit Slatava den Verwundeten vom Boden aufheben konnte.
    Noch immer war sie erfüllt von Unruhe, die nur noch ärger wurde, je mehr sich die Lage äußerlich beruhigte. Unschlüssig machte sie einige Schritte weg von dem Verletzten, der, schlaff in Mikeschs Armen hängend, mit dem Kopf voran in die Kutsche geschoben wurde. Es war ein heißer Tag, die Luft flimmerte selbst unter den Eichbäumen, aber unter der Sonnenwärme begann Markéta zu frösteln. So als ob ihr Herz nicht glauben könnte, was sie doch mit eignen Augen gesehen hatte: Nicht Flor war von dem Pfeil getroffen worden, natürlich nicht.
    Jäger und Treiber saßen rings um die Leintücher im Gras und ließen sich die Speisen schmecken, die der Haushofmeister ihnen aufgetischt hatte, mit schmerzverzerrter Miene und immer wieder schauerlich hustend. An einer erhöhten Stelle saßen Don Julius und der Maître, von Breuner und Skraliçek um ein reich gedecktes Tuch herum, dessen Silberstickereien in der Sonne glitzerten. Als er ihren Blick bemerkte, versuchte Julius sie mit einladenden Gebärden heranzulocken, aber Markéta schüttete den Kopf, für einen Moment gezwungen lächelnd, und wandte sich gleich wieder ab.
    Keinen Bissen könnt ich jetzt runterwürgen, dachte sie und sah zu, wie der Einspänner mit dem Verletzten langsam davonrumpelte. Ein paar Stunden nur, dann liegt Nico im Spitalsbett und wird vom gräflichen Medikus versorgt – kein Grund zur Sorge also, beschwor sich Markéta; warum nur wurde sie gleichwohl immer unruhiger, ihr Herzschlag flatternd, als ob in ihrem Busen ein Vogel gefangen wäre?
    Während sie noch hin und her sann, entdeckte sie die schlaksige Gestalt, die über die Lichtung trottete, auf den Platz zu, wo die Treiber und Gardisten lagerten.
    »Mikesch?«
    Er stockte kaum merklich, dann ging er weiter, mit gleichmäßigen Schritten auf seine Kameraden zu.
    »Gardist Slatava!«
    Nun blieb er stehen, mitten auf der Lichtung, und wandte sich um, zwanzig Schritte von ihr entfernt. Auch die Tafelnden an den Rändern des weiten Platzes waren aufmerksam geworden und sahen zu ihr

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