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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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der alte Dweller seine Theorien zur Entwicklung
der Gasriesenfauna darlegte und von seinen Wanderungen
erzählte.
    Oazil schilderte, wie er einmal das Südliche Tropenband
umrundet hatte, ohne auf den einhundertvierzigtausend Kilometern
einem einzigen Dweller zu begegnen. Einmal habe er sich einer Bande
von adoleszenten Skulpturpiraten angeschlossen, Halbrenegaten, die in
öffentlichem Auftrag Wurzel-Wolken- und
AmmoniakSchleusen-Wälder anpflanzten, und sei ihre Galionsfigur
geworden, ihr Maskottchen, ihr Totem. Und vor vielen Jahrtausenden
sei er in der verlassenen Ödnis der Südlichen Polarregion
in ein ganzes Labyrinth verlassener WolkenTunnel geraten. (Das Werk
einer Truppe außer Kontrolle geratener und irgendwann
verschwundener Tunnelbaumaschinen? Ein Kunstwerk? Der vergessene
Prototyp einer neuen Stadtform? Er wisse es nicht – niemand
hätte jemals von diesem Ort, diesem Bauwerk gehört.)
Tausend Jahre lang sei er in diesem weitläufigen Baum, dieser
Riesenlunge, diesem gewaltigen Wurzelgeflecht von einem Labyrinth
umhergeirrt, bevor er schließlich, zu elf Zwölfteln
verhungert und dem Wahnsinn nahe, den Ausgang gefunden habe. Er habe
den Fund gemeldet, und andere hätten nach dem Tunnel gesucht,
aber er sei nie wiedergefunden worden. Die meisten Leute glaubten, er
hätte sich das alles nur eingebildet, aber das sei nicht wahr. Sie glaubten ihm doch hoffentlich?
     
    Das Klopfen war wieder da. Er hatte es am Rande wahrgenommen, aber
nicht darauf geachtet, er war nicht einmal so weit gegangen, es den
Leitungen des Hauses zuzuordnen oder als Dehnungsgeräusch
beziehungsweise als Reaktion auf eine kurze Strömungsunruhe im
Gas der Umgebung zu identifizieren. Nach einer Weile hatte es
aufgehört – auch das hatte er nebenbei bemerkt, aber immer
noch nicht weiter darüber nachgedacht. Jetzt war es wieder da,
und es war lauter geworden.
    Fassin befand sich in Bibliothek Drei, einem der Räume im
Innern der Traube, und las sich im Schnellverfahren durch den Bestand
einer Unterabteilung, die Valseir offenbar vor Urzeiten mit einem
Auftrag übernommen hatte. Ausgehend von dem frühesten
Zeitpunkt, den irgendjemand festgehalten hatte, lagen diese Texte
seit dreißigtausend Jahren herum, ohne je abgerufen oder
gelesen zu werden. Seit ihrer Entstehung, lange bevor die Menschen
nach Ulubis kamen, waren mehrere Generationen von
›Langsamen‹-Sehern verschiedener Spezies über
Nasqueron hinweggegangen. Fassin hielt das Material für
Tauschware – Daten aus zweiter, dritter oder x-ter Hand –,
irgendwo ausgegraben, womöglich maschinell übersetzt (so
las es sich jedenfalls, wo immer er an den ursprünglichen Text
ging, um sich zu vergewissern, dass der Inhalt auch mit den
Kurzfassungen übereinstimmte), zusammengefasst, von einer
längst abgelösten (oder ausgestorbenen) Seher-Spezies den
Dwellern von Nasqueron vorgelegt und im Austausch für –
vermutlich – noch ältere Informationen übergeben. Er
überlegte, wann die Mehrheit der Daten im Dweller-Besitz
Tauschware sein würde, vielleicht war dieser Punkt sogar schon
erreicht. Er war nicht der erste Seher, der diesen Verdacht hegte,
und bei der heillosen Unübersichtlichkeit aller Dweller-Archive
würde er sicherlich auch nicht der letzte sein.
    Die Texte, die er durchsah, berichteten hauptsächlich von den
romantischen Abenteuern und den philosophischen Reflexionen einer
Gruppe von Sternenfeldfahrern. Sie waren allerdings mehrfach
übersetzt oder stammten nicht nur von einer anderen Spezies,
sondern von einem anderen Speziestyp. Auf jeden Fall waren sie sehr
phantasievoll.
    Das Klopfen wollte nicht aufhören.
    Er schaute hinauf zu dem runden Fenster in der Decke. Bibliothek
Drei war inzwischen von anderen, teilweise größeren
Sphären umgeben, hatte sich aber einst an der Oberseite befunden
und war am Scheitelpunkt großflächig mit Diamantfolie
gedeckt. Heutzutage hätte auch dann nur wenig natürliches
Licht eindringen können, wenn es draußen weniger
düster gewesen wäre.
    Hinter der Folie bewegte sich ein kleines, fahles Etwas. Als
Fassin nach oben schaute, hörte das Klopfen auf, und das Ding
winkte. Es sah aus wie ein Dweller-Junges, ein Hauskind. Fassin
beobachtete es eine Weile, dann wandte er sich wieder seinem
Bildschirm und den ziemlich unwahrscheinlichen Heldentaten der
S-Fahrer zu. Das Klopfen fing wieder an. Er versuchte, in seinem
Gasschiffchen zu seufzen. Endlich hielt er den scrollenden Text an,
löste sich aus der Sitzgrube und schwebte

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