Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
dachte Fassin. Womöglich noch, bevor sich
erfüllt hätte, was er ihr immer wieder als ihrer beider
Bestimmung schilderte – leider glaubte er auch noch selbst daran
–, und sie zu einer sinnerfüllten, aber auch
körperlich befriedigenden Beziehung gefunden hätten. Im
Augenblick – den Kopf nach draußen gestreckt, die Stirn
ans Kanzeldach gedrückt – sah sie freilich eher so aus, als
wollte sie sich übergeben.
    Fassin wandte sich ab und versuchte, sich alle Gedanken an einen
frühen Tod wie an eine geschlechtliche Erfüllung, die wohl
noch ziemlich lange auf sich warten ließe, aus dem Kopf zu
schlagen, indem er die Sterne betrachtete, die jetzt über den
falschen Horizont stiegen. Nasquerons schemenhafte Masse bewegte sich
weiter, und dahinter kam, rasch dunkler werdend, der Himmel zum
Vorschein. Ein neuer Aurora-Ausbruch ließ flimmernde
Lichtbahnen entstehen, neben denen die Sterne vorübergehend
verblassten.
    Ilen schaute in die entgegengesetzte Richtung. »Was ist das
für ein Qualm?«, rief sie und deutete auf die
eingedrückte Nase des abgestürzten Schiffes. Dahinter
stieg, vom Wind zur Seite gedrückt, eine dunkelgraue, fransige
Rauchsäule auf.
    Taince hob den Kopf, murmelte etwas und machte sich an den
Knöpfen des Funkgeräts zu schaffen. Alle anderen
beobachteten das Schauspiel. Sal nickte. »Wahrscheinlich die
Wachdrohne, die vorhin abgeschossen wurde«, sagte er, aber es
klang unsicher.
    Die Lautsprecher knackten, und eine Frauenstimme sagte ruhig:
»- ger Zwei-Zwei-Neun… – sition? – ben Sie…
– sieben-fünf-drei… -üdlich der Verbotenen Zone
Ach-?… – derhole Sie sind jetzt oder in -ürze
außerhalb des Rasters… – stätigen Sie
Ihre…«
    Taince Yarabokin beugte sich tiefer über das Gerät.
»Hier spricht Flieger Zwei-Zwei-Neun, wir finden keinen sicheren
Platz, um wie empfohlen unbemerkt zu landen, fliegen deshalb mit
Höchstgeschwindigkeit in Minimalhöhe auf…«
    Saluus Kehar streckte den goldgebräunten Arm aus und
schaltete das Funkgerät ab.
    »Verdammter Ficker!«, rief Taince und schlug nach
seiner Hand, die bereits wieder zum Steuerknüppel
zurückkehrte.
    »Taince, bitte!« Sal schüttelte den Kopf, ohne das
rasch näher kommende Schiffswrack aus den Augen zu lassen.
»Musst du es unbedingt gleich jedem erzählen?«
    »Kretin!«, zischte Taince und schaltete das
Funkgerät wieder ein.
    »Schließe mich an«, sagte Fassin und
schüttelte ebenfalls den Kopf.
    »Wirst du das Ding wohl in Ruhe lassen?«, sagte Sal,
aber es gelang ihm nicht, das Funkgerät erneut auszuschalten.
Taince schlug seine Hand immer wieder weg und suchte weiter nach
einem freien Kanal. (Fassin wollte schon anmerken, sie hätte
darin mehr Übung, als er gedacht hätte, ließ es aber
doch lieber sein.) »Taince«, sagte Sal. »Das ist ein
Befehl. Der verdammte Apparat bleibt aus, hörst du? Wem
gehört eigentlich dieser Flieger?«
    »Deinem Dad?«, fragte Fassin. Sal warf einen
vorwurfsvollen Blick nach hinten. Fassin nickte zu dem Schiffswrack
hin, das schnell größer wurde. »Augen nach
vorn.«
    Sal drehte sich wieder um. Das ist ein Befehl, dachte
Fassin und grinste in sich hinein. Saluus, wie kannst du
nur? Hatte er sich nur deshalb so ausgedrückt, weil Taince
beim Militär war und er glaubte, sie würde jedem Befehl
automatisch gehorchen, auch wenn er von einem Zivilisten kam? Oder
bildete er sich ein, schon jetzt auf Grund seiner Herkunft alle Welt
herumkommandieren zu können? Ein Wunder, dass ihn Taince nicht
einfach ausgelacht hatte.
    Na schön, sie waren keine unschuldigen Kinder mehr, dachte
Fassin. Je mehr sie von der Welt, der Galaxis und der Epoche kennen
lernten, in der sie ihre Kindheit und Jugend verbrachten, desto
deutlicher zeigte sich, dass es überall um Hierarchien ging, um
Rangstufen, Dienstgrade und Hackordnungen, ob man nun wie sie ganz
unten stand oder bereits unsichtbare Gipfel des Ruhmes erklommen
hatte. Eigentlich waren sie wie ein Wurf Labormäuse, die in
einem Käfig miteinander aufwuchsen, sich um die Vorherrschaft
balgten, eigene und fremde Stärken und Schwächen
ausloteten, Strategien und Verhaltensweisen für das spätere
Leben erprobten, die Spielräume erkundeten, die sie jetzt hatten
und als Erwachsene erwarten konnten, und sich den Platz für ihre
Träume zu sichern suchten.
    Taince schnaubte. »Wahrscheinlich ist es nicht einmal Daddys
Flieger oder eine Geschäftsmaschine, sondern wurde nach einem
undurchsichtigen Verfahren verkauft und wieder

Weitere Kostenlose Bücher