Der Algebraist
bedrückt.
»War das tatsächlich die Merkatoria? Nicht diese
Separat-Leute. Du bist ganz sicher?«
»Ich bin ziemlich sicher«, erwiderte Fassin.
»Verdammt«, sagte Y’sul verärgert. »In
dem Fall sieht es fast so aus, als hätte ich eine Wette
verloren. Wie komme ich da bloß wieder raus?« Tief in
Gedanken schwebte er davon.
Fassin wandte sich an Valseir. »Und mit dir ist wirklich
alles in Ordnung?«, fragte er. Der alte Dweller war ziemlich
erschüttert gewesen, als sie sich über dem sinkenden
Luftschiff im Gas getroffen hatten, war aber unverletzt bis auf ein
paar Panzerabschürfungen, die er sich im Gedränge der
Flüchtenden zugezogen hatte.
»Mir geht es gut, Fassin«, beteuerte er dem Menschen.
»Und dir? Du hast deine Freundin den Colonel verloren, wie ich
höre.«
Fassin stand plötzlich das letzte Bild von Hatherence vor
Augen. Er sah, wie sich die schwarze Mantaform – für einen
Dweller hätte sie ausgesehen wie eins von ihren Jungen –
durch die Luft schraubte und mit einer Handfeuerwaffe auf das Schiff
schoss, das sie aus ihrem Anzug gerissen hatte. Dann war sie im
Strahl des Gegenfeuers umgekommen. »Ich gewöhne mich
allmählich daran, dass jeder, der mir zu nahe steht, eines
gewaltsamen Todes stirbt«, sagte er.
»Hm. Ich habe die Warnung verstanden«, bemerkte
Valseir.
»Sie war meine Vorgesetzte«, erklärte Fassin.
»Sie hatte den Auftrag, mich zu beschützen, aber sie sollte
mich auch überwachen. Es würde mich wundern, wenn sie nicht
Befehl bekommen hätte, mich unter bestimmten Umständen zu
töten.«
»Und du glaubst, sie hätte diesen Befehl auch
ausgeführt?«
Fassin zögerte. Er schämte sich für das, was er
eben gesagt hatte, obwohl er es noch immer für die Wahrheit
hielt. Es war, als hätte er Hatherences Andenken beschmutzt. Er
wandte den Blick ab und sagte: »Nun ja, das werden wir wohl nie
erfahren.«
Mitten in der Decke öffnete sich eine Tür. Alle blickten
nach oben. Zwei Dweller traten ein. Den einen kannte Fassin, es war
Setstyin, der Einflusshändler, wie er sich selbst bezeichnete,
mit dem er telefoniert hatte, als er sich an jenem Abend aus
Y’suls Haus in Hauskip City geschlichen hatte. Der zweite sah
wahrhaft uralt aus, schwarz und klein – kaum fünf Meter im
Durchmesser – und trug auffallend üppige Kleidung, unter
der sich wahrscheinlich nur noch wenige natürliche
Gliedmaßen und etliche Prothesen verbargen.
»Seher Fassin Taak«, sagte Setstyin und rollnickte ihm
zu. Dann begrüßte er Y’sul und schließlich
Valseir – als der Senior unter den dreien kam Valseir als
Letzter an die Reihe und wurde mit einer respektvolleren Verbeugung
bedacht. »Y’sul, Valseir: ich möchte euch den
Weisen-Schwellen-Chospe Drunisine vorstellen. Er befehligt den (zu
dementierenden) Planeten-Protektor Isaut.«
»Sehr erfreut«, sagte der schwarze Dweller. Seine Stimme
klang scharf und ziemlich trocken.
»Welche Ehre für uns.« Y’sul
stieß Fassin aus dem Weg, drängte sich nach vorne und
verbeugte sich schwungvoll bis zum Boden. »Wenn ich das sagen
darf.«
»Die Freude ist ganz auf unserer Seite, Prä-KIND«,
schloss Valseir sich halbherzig an und machte eine Roll-Verneigung,
die nicht ganz so tief, aber dafür würdevoller ausfiel.
»Schön, dich wiederzusehen, Setstyin«, sagte
Fassin. »Und natürlich freue auch ich mich, Sie kennen zu
lernen«, wandte er sich an den Alten.
Drunisine war bei weitem der älteste und vornehmste Dweller,
dem Fassin jemals begegnet war. Für jeden Dweller, der
natürlich zuerst die Fährnisse der (ersten) kindheit
überstehen musste, dann die Adoleszenz-, die Jugend- und
Erwachsenenphasen durchlief und schließlich über die
Lebensstadien Reife und Schwelle den Rang des Weisen erreichte, war
das letzte Ziel die KINDHEIT. Wenn er nur lange genug lebte,
erfüllte sich hier sein Schicksal. Dieser Zustand des
vollkommenen Alles-Getan-Habens galt als Krönung jeder
Dweller-Existenz. Drunisine hatte die Stufe unmittelbar vor diesem
Gipfel erklommen: Er war Chospe – Prä-KIND. Man konnte
davon ausgehen, dass er mehr als zwei Milliarden Jahre alt war.
»Mein Name ist Setstyin.« Der zweite Dweller postierte
sich mit dem Weisen etwa im Zentrum des sphärischen Raums und
sah in die Runde. »Ich bin ein Freund von Seher Taak. Ich hoffe,
ihr seid alle einigermaßen erholt und/oder ausgeruht. Wir haben
nämlich viel zu besprechen.«
Alle erklärten sich zu einem Gespräch imstande. Auf
einen Wink von Setstyin fielen aus einem
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