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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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viele Leute inzwischen nicht mehr an die
Unglücksprognosen glaubten, seit durchgesickert war, wann die
Invasion erwartet wurde, ohne dass sich der Hungerleider-Kult dann
auch tatsächlich hätte blicken lassen. Die eingefleischten
Verschwörungstheoretiker unterstellten, alles sei von Anfang an
eine einzige paranoide Todesphantasie des Militärs und der
Industrie gewesen, es hätte niemals eine echte Bedrohung
existiert, die meisten Angriffe würden von den
Sicherheitskräften selbst durchgeführt und seien entweder
Teil eines internen Konflikts oder einer sorgfältig geplanten
Serie von zynischen Aktionen, bei denen eigene Opfer bewusst in Kauf
genommen würden, um Sympathien für die Streitkräfte zu
wecken, die dem einfachen Volk noch die letzten bürgerlichen
Freiheiten raubten. Alles sei nur ein Vorwand, um das Ulubis-System
in eine semifaschistische Gesellschaft umzuwandeln, in der einige
wenige Privilegierte die Macht fest in Händen hielten.
    Selbst gemäßigtere Stimmen haderten mit dem Verlust von
Freiheiten und den auferlegten Beschränkungen und wollten immer
häufiger wissen, wo denn die schreckliche Bedrohung bleibe, auf
die man sich seit fast einem vollen Jahr vorbereite? Müsste
nicht inzwischen der Himmel im Schein der Triebwerke der
Invasionsflotte lodern, die im Raum um Ulubis abbremste? Man zog
allmählich in Zweifel, ob all die Opfer und Entbehrungen
wirklich erforderlich seien. Wurde nicht zu viel gegen eine Gefahr
getan, die sich bisher noch nicht gezeigt hatte, und zu wenig gegen
die zermürbenden kleinen, aber doch immer wieder verheerenden
Angriffe?
    Die Strategen fragten sich auch, wo denn die Truppen des
E-5-Separats eigentlich sein sollten. Man hatte sich über den
besten Verteidigungsplan die Köpfe heiß geredet: sollte
man der oder den Invasionsflotten entgegenziehen, in der Hoffnung,
sie zu überraschen und damit einen kleinen Vorteil zu erringen
– und zumindest einen Teil der Kämpfe von den
bevölkerten Regionen des Ulubis-Systems fern zu halten –
oder sollte man abwarten und ein Maximum an Streitkräften da
versammeln, wo sie letzten Endes am dringendsten gebraucht
würden? Man hatte bereits Kundschafterdrohnen in die Richtung
geschickt, aus der die Invasion angeblich kommen sollte, aber bisher
hatte keine von ihnen etwas gefunden. Man war auf Spekulationen
angewiesen.
    Im Orbit um G’iri, dem kleineren Gasriesen, der von Nasqueron
aus gesehen weiter draußen lag, wurde eine riesige magnetische
Railgun gebaut, die im Weltraum vor der anrückenden Flotte
Schutt verstreuen sollte. Die riesige Donnerbüchse hatte die
Aufgabe, einen Hagel von Überwachungsgeräten und eine Wolke
von winzigen gesteuerten Explosiv- oder auch nur kinetisch wirksamen
Minen vor die Invasionsschiffe zu schleudern, aber sie wurde jetzt
erst hochgefahren, Monate zu spät, sie war viel teurer geworden
als veranschlagt, und sie wurde von Problemen gebeutelt. Zumindest
diesen jüngsten Fehlschlag konnte man nicht auf das Konto von Kehar Heavy Industries buchen. Saluus’ Firma hatte mit
dem Auftrag nichts zu tun gehabt. Sie wäre zwar der geeignetste
Hersteller gewesen, aber man hatte das Projekt an ein Konsortium
anderer Firmen vergeben, einerseits, um zu zeigen, dass KHI kein
Monopol hatte, andererseits, um auch die Konkurrenz einmal bei einem
Großauftrag zum Zuge kommen zu lassen.
    Der Zwischenbericht über das Nasqueron-Debakel hatte KHI mehr
oder weniger entlastet. Man hatte nichts Schlimmeres gefunden als
gelegentliche Schlampereien in der Buchhaltung und die Art von
Vereinfachungen, wie sie in einer Notlage und bei diesem Zeitdruck
selbstverständlich waren. Mit anderen Worten, die Blamage bei
der Schlacht im Sturm hatte sich das Militär ganz allein selbst
zuzuschreiben, so wie Saluus es von Anfang an behauptet hatte. Nicht
zuletzt deshalb hatte man ihn seither besser in den Planungs- und
Strategieapparat der Ulubis-Merkatoria integriert und berief ihn
sogar mit schöner Regelmäßigkeit in den Krisenstab
des Kriegskabinetts.
    Das war vernünftig. Außerdem schmeichelte es seiner
Eitelkeit, und er war ehrlich genug, das zu erkennen und zu
akzeptieren. Und es hatte natürlich den Nebeneffekt, dass er
fester in die politische Hierarchie des Systems eingebunden wurde.
Man identifizierte ihn noch stärker als bisher mit
Machtstrukturen und einzelnen Machthabern, und damit hatte er noch
mehr Anlass, für die Erhaltung der Merkatoria-Herrschaft zu
kämpfen. Wenn jetzt der Böse Feind über das

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