Der Algebraist
System
herfiele und es eroberte, könnte Saluus nicht mehr so ohne
weiteres die Hände heben und beteuern, er sei nur ein
gewöhnlicher Schiffsbauer und stelle sich demütig in den
Dienst der neuen Herren.
Saluus war es dennoch nicht unbedingt zuwider, im Dunstkreis der
Macht zu stehen, darauf zugreifen und sie in gewissem Grade sogar
kontrollieren zu können. Und selbst wenn es zum Schlimmsten
käme, gab es im Kriegskabinett Personen, die in sehr viel
höherem Maße als er Symbolträger des alten Regimes
waren, während er als Leiter von KHI für jeden wertvoll
wäre, der sich an die Spitze des Systems setzte. Er müsste
eben improvisieren. Außerdem hatte er sich einen Fluchtplan
zurechtgelegt. Je länger die Invasion des E-5-Separats auf sich
warten ließ, desto eher wäre mit dem Gegenangriff der
Merkatoria zu rechnen, und in diesem Fall wäre es eventuell
ratsam, von der Bildfläche zu verschwinden, solange der Feind
noch damit beschäftigt war, sich einzunisten und seinerseits
eine Verteidigung aufzubauen. (Eigentlich sollte der Feind gar nicht
ahnen, dass die Merkatoria-Flotte unterwegs war, aber auch das war
bereits durchgesickert, und seine Verbündeten, die Beyonder,
hätten ihn wohl in jedem Fall gewarnt.)
Saluus konnte jederzeit untertauchen, wenn das die einfachere
Lösung wäre. Er wollte auch versuchen, mit einigen
Guerillagruppen in Kontakt zu kommen, hoffentlich ohne sich direkt
engagieren zu müssen, damit er, wenn die Merkatoria das System
zurückeroberte, nicht wie ein Feigling dastünde, dem es nur
um seinen eigenen Reichtum ging, sondern wenn möglich als Held.
Aber wenn es unangenehm wurde, war manchmal die beste Strategie, sich
aus der Schusslinie zu bringen. Tatsächlich ließ er gerade
auf einer der geheimen Werften ein sehr schnelles Schiff bauen, einen
Prototyp, den er auf keinen Fall so weit entwickeln wollte, dass er
für den aktiven Dienst oder auch nur für militärische
Probeläufe reif war. Das sollte sein Fluchtfahrzeug für den
Notfall werden.
Bei alledem war ihm die Frau, die ihm Fassin Taak einst als Ko
vorgestellt hatte – ihr richtiger Name, der Name, den sie jetzt
verwendete, war Liss Alentiore – eine echte Hilfe gewesen. Er
hatte sich wohl in sie verliebt. So sehr sogar, dass seine Frau
– die sich selbst ganz munter zahlreiche Affären leistete
– zum ersten und einzigen Mal Anzeichen von Eifersucht gezeigt
hatte. (Daraufhin hatte Liss eine Lösung vorgeschlagen, auf die
er, zumindest in seiner Phantasie, auch selbst schon gekommen war.
Nun führten sie eine sehr anregende menage à trois.)
Wichtiger war, dass Liss sich als vertrauenswürdige Beraterin
und zuverlässige Informationsquelle erwiesen hatte. In den
letzten Monaten voller Hektik und Verzweiflung hatte sich Saluus,
wenn er nicht mehr wusste, wie er sich verhalten sollte, oft mit ihr
beraten, entweder in halb offiziellem Rahmen in seinem Büro,
seinem Flieger oder auf seinem Schiff oder von Kopfkissen zu
Kopfkissen. Sie hatte immer eine Lösung gefunden, wenn nicht
sofort, dann nach einer Bedenkzeit von einer oder zwei Nächten.
Sie war von einer Gerissenheit, die an eine Katze erinnerte; sie
wusste manchmal so genau, wie andere funktionierten, wie sie dachten
und wohin sie springen würden, dass es an Telepathie
grenzte.
Um Liss in seiner Nähe zu haben, hatte er sich einen neuen
Posten ausgedacht und sie zu seiner persönlichen
Privatsekretärin gemacht. Seine bisherigen Sekretärinnen,
eine für Geschäftliches, die andere für
Gesellschaftliches, waren leicht pikiert gewesen, besaßen aber
Verstand genug, um gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die
Neue mit falscher Freundlichkeit aufzunehmen. Sie unternahmen keinen
Versuch, Liss’ Stellung zu untergraben. Saluus ahnte, dass sie
sich Liss dennoch sehr genau angesehen hatten und zu dem Schluss
gekommen waren, jeder Angriff gegen sie würde wohl auf sie
selbst zurückschlagen.
Auch seine Sicherheitsleute waren zunächst misstrauisch
gewesen und hatten in ihrer Vergangenheit gewühlt. Zunächst
hatten sie alle möglichen Hinweise auf unappetitliche Skandale
und dann eine verdächtige blinde Stelle in ihrem Lebenslauf
gefunden. Aber letztlich war nichts wirklich Verwerfliches zu Tage
gekommen, jedenfalls hatte sie nichts Schlimmeres angestellt als er
selbst in ihrem Alter. Sie war jung und wild gewesen und hatte sich
mit zwielichtigen Typen eingelassen. Genau wie er. Und wenn schon?
Als er sie behutsam nach ihrer Vergangenheit befragte, war er
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