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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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leicht
auseinander und verdrehte die Augen. »Wann lernst du es endlich,
Mann?«, hauchte sie. Dann schüttelte sie den Kopf und
richtete sich wieder auf. »Nein, Saluus«, sagte sie.
»Ihr bekämpft uns, weil wir uns eurer verdammten viel
gepriesenen Merkatoria nicht anschließen wollen. Ihr könnt
uns nicht in Frieden lassen, aus Angst, dass andere sich ein Beispiel
an uns nehmen könnten. Ihr überfallt unsere Habitate und
Generationenschiffe und schlachtet uns zu Millionen ab. Wir greifen
nur euer Militär und eure Infrastruktur an. Und ihr nennt uns
Terroristen.« Sie schüttelte den Kopf und stand auf.
»Fahr zur Hölle, Sal«, sagte sie leise. »Fahr zur
Hölle mit deiner Arroganz und deinem gedankenlosen Egoismus.
Fahr zur Hölle, denn du bist intelligent, aber du bist zu faul,
um deinen Verstand zu gebrauchen.« Sie wandte sich zum
Gehen.
    Sal sprang auf und wäre fast gegen die transparente Membran
gerannt. »Hast du jemals etwas für mich empfunden?«,
entfuhr es ihm.
    Liss blieb stehen, drehte sich um. »Außer
Verachtung?« Sie lächelte, als er den Blick abwandte und
sich auf die Unterlippe biss. Er konnte nicht sehen, wie sie den Kopf
schüttelte. »Manchmal war es ganz lustig, mit dir zusammen
zu sein, Sal«, sagte sie und hoffte, dass es nicht zu
gönnerhaft klang. Oder gönnerhaft genug.
    Sie ging, bevor er etwas erwidern konnte.
     
    Hab 4409 und alle seine Bewohner waren zum Tode verurteilt. Das
hatte man ihnen mitgeteilt. Es war schwer zu glauben. Aber vielleicht
kam es ja nicht so weit.
    Die Menschen reagierten verschieden. Einige hatten randaliert und
waren kompromisslos oder grausam bestraft worden, die Wortwahl hing
davon ab, ob man den Zivilbehörden glaubte oder nicht. Einige
betäubten sich mit Rauschmitteln aller Art, andere blieben
einfach bei ihren Lieben oder stellten fest, dass sie ihre letzten
Stunden durchaus auch mit Personen verbringen konnten, die ihnen
lediglich sympathisch waren. Und eine große Zahl von Menschen
– mehr als Thay erwartet hätte – hatte sich in dem
großen Park an der Innenwand des Habitats gegenüber dem
Platz vor dem Diegesianspalast versammelt. Da standen sie nun und
hielten sich an den Händen. Lange Reihen, kleine Grüppchen,
Leute, die sich im Kreis aufgestellt hatten und die Hände in der
Mitte zusammenlegten, und unregelmäßige, mehr oder weniger
durch Zufall entstandene Ketten. Von oben, dachte Thay, müssten
sie aussehen wie ein abstraktes Bild eines menschlichen Gehirns mit
verklumpten Zellen und vielfach verzweigten Dendriten.
    Thay Hohuel legte den Kopf in den Nacken und versuchte, hinter den
Gondeln, die sich an der Längsachse des Habs
zusammendrängten, einen Blick auf den Diegesianspalast und auf
den Platz davor zu erhaschen, wo sie und die anderen vor so vielen
Jahren ihre Protestdemonstration abgehalten hatten.
    Sie war hierher gekommen, um zu sterben, das wurde ihr jetzt
bewusst. Sie hatte nur nicht erwartet, dass es so schnell gehen
würde. Sie hatte die anderen nie vergessen, hatte sich nach
Kräften bemüht, Kontakt zu ihnen zu halten, auch wenn sie
offenbar gar nicht an die alten Tage und ihr altes Ich erinnert
werden wollten. Obwohl sie vermieden hatte, sich aufzudrängen,
war sie wohl doch unerwünscht gewesen – eine
Nervensäge. Aber was man einmal gewesen war, behielt doch seinen
Wert, auch wenn man sich davon losgesagt hatte? Das war immer ihre
Meinung gewesen, und so dachte sie bis heute.
    Sie war also lästig gewesen, weil sie nicht davon abging,
sich in Erinnerung zu bringen und damit auch die anderen an ihr
früheres Ich zu erinnern und natürlich an die arme tote K,
die sie zugleich zusammenhielt und voneinander trennte. Sonst
hätten sie sich doch längst wieder getroffen, Mome, Sonj,
Fassin und sie selbst? Irgendwo hätte ein Wiedersehen
stattgefunden, das wäre nur natürlich gewesen. Jedenfalls,
wenn ihnen der Geist von K, den jeder mit sich herumtrug, die
Erinnerung an die gemeinsame Zeit nicht für immer vergällt
hätte.
    Sie war trotz alledem zurückgekehrt, ins Hab, zu ihrem
früheren Ich und zu diesen Erinnerungen. Als sie das Gefühl
hatte, der Tod mit seiner wohl verdienten Ruhe sei allenfalls noch
ein bis zwei Jahre entfernt, hatte sie beschlossen, hierher zu
kommen, an den Ort, der in jungen Jahren ihren Charakter geprägt
hatte. Der heraufziehende Krieg hatte sie in ihren Plänen noch
bestärkt; wenn die Gefahr wirklich so groß war, wie alle
behaupteten, wenn die Invasoren alle großen und kleinen
Städte,

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