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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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der Oberste Archivar Voriel von der Cessoria, der es als so
unerträgliche Schmach empfunden hatte, seine Gelübde
widerrufen zu müssen, dass er den Tod vorgezogen hatte. Was
für ein Idiot. Lusiferus hatte ihn persönlich
erschossen.
    Er hatte sich von einigen Mitgliedern der wenige Monate vor der
Invasion zusammengestellten Dweller-Abordnung darüber
informieren lassen, was von den Schwebern zu erwarten wäre. Die
Abordnung war größtenteils ums Leben gekommen, als sich
der Commander ihres Schiffs weigerte zu kapitulieren, aber einige
wenige Überlebende hatte es doch gegeben. Lusiferus wusste
freilich nicht, ob er ihnen trauen konnte.
    Von seinen sechs obersten Befehlshabern waren drei zugegen. Die
Übrigen waren anderswo damit beschäftigt, für den
Notfall eine bewaffnete Präsenz aufrecht zu erhalten und
Vorbereitungen für den Zeitpunkt zu treffen, wenn die Vorhut der
Generalflotte das System mit Höchstgeschwindigkeit durchfliegen
würde.
    Die Beyonder waren natürlich nicht gekommen. Sie standen noch
unter Schock wegen seiner skrupellosen Zerstörung einer einzigen
Kleinstadt und eines Habitats voller Künstler, Spinner und
Gutmenschen. Er musste ihnen erklären, dass er die Stadt –
er hatte ihren Namen vergessen – nur deshalb gewählt hatte,
weil sie im Schutz von Bergen am Meer lag, so dass er wieder einmal
eine seiner berühmten landschaftlichen Umgestaltungen vornehmen
konnte. Mit etwas Glück konnte er sie damit gleich noch einmal
erschüttern.
    Die verdammten Abgesandten oder Vertreter der Dweller konnten ihn
nicht überzeugen. Sie beeindruckten zwar durch ihre
Größe, besonders in diesen radförmigen
Schutzanzügen, aber sie hatten Mühe – offenbar ein
Dauerproblem bei den Dwellern –, jemanden zu finden, der
genügend Autorität besaß, um für einen ganzen
Planeten zu sprechen. Lusiferus hatte schon früh in seiner
Karriere gelernt, dass man um die Dweller am besten einen weiten
Bogen machte. Wenn man sie in Ruhe ließ, hatte man nichts zu
befürchten. Er hätte von sich aus niemals Kontakt zu den
Schwebern gesucht, aber es hatte sich nicht vermeiden lassen, und
jetzt musste er eben zusehen, wie er mit ihnen zurechtkam.
    Drei Dweller nahmen an dem Treffen teil. Alle hatten vermutlich
den gleichen Rang, und alle waren allein gekommen – ohne
Adjutanten, Sekretäre oder Kulis irgendwelcher Art, was bei
jeder anderen Spezies bedeutet hätte, dass es sich nicht um
ernst zu nehmende Persönlichkeiten handelte, bei den Dwellern
aber weiter gar nichts zu sagen hatte.
    Feurich war so etwas wie ein Politikwissenschaftler und vertrat
das breite rotbraune Äquatorband, das sie unter sich sehen
konnten. Chintsion war derzeit oberster Chef einer Dachorganisation,
die alle Clubs und anderen freiwilligen Zusammenschlüsse vertrat
(das klang wie eine Beleidigung, aber dem Vernehmen nach war auch das
angeblich sehr leistungsfähige Militär ein solcher
›Club‹). Peripule verwaltete als Administrator die
größte Stadt, die aber keine Hauptstadt im
herkömmlichen Sinn war, außerdem galt die Wahl zum
Stadtadministrator nicht etwa als besondere Ehre oder als
Gelegenheit, die Freuden der Macht zu genießen, sondern als
Zumutung. Alle drei hatten grandiose, aber im Grunde nichts sagende
Titel. Und sie redeten von nichts anderem als vom hohen Alter der
Dweller-Spezies. Der Archimandrit hätte lieber mit wirklich
ranghohen Persönlichkeiten verhandelt – falls es so etwas
in der Dweller-Gesellschaft überhaupt gab – und eine
größere Zahl von Abgesandten vorgezogen, aber das
Zeitfenster war eng, und er konnte nicht wählerisch sein.
Allerdings befanden sich noch andere Dweller auf der Lusiferus VII
– mehr als dreihundert an der Zahl. Man hatte zwei volle
Schiffsladungen von Adoleszenten und jungen Erwachsenen, die sich auf
einer Art Betriebsausflug befanden, an Bord gelassen, um ihnen alles
zu zeigen. Ein Fanclub für Alien-Schiffe. Normalerweise
hätte er so etwas niemals erlaubt.
    Lusiferus spürte deutlich, dass ihm die Dweller nicht ihre
volle Aufmerksamkeit schenkten. Von seinen Alien-Beobachtern wusste
er, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung von Nasqueron weder
um den kleinen Krieg kümmerte, der eben stattgefunden hatte,
noch um die Anwesenheit einer Invasionsflotte. Tatsächlich
wussten die meisten Dweller nicht einmal, was geschehen war, und
wahrscheinlich wäre es ihnen ohnehin egal. Die Nachrichtensender
des Planeten berichteten, soweit vorhanden, nur über einen so
genannten Formalkrieg

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