Der Algebraist
anderen Kind gespielt und einen
falschen Zug gemacht hatte, pflegte er manchmal einfach zu sagen:
»Hör zu, das vorhin, das war ein Versehen, eigentlich
wollte ich das… « Obwohl das gegen die Spielregeln
war, hatte er festgestellt, dass er erstaunlich oft damit durchkam.
Zunächst hatte er gedacht, er sei eben ein stärkerer
Charakter als sein jeweiliger Gegenspieler, doch dann war ihm klar
geworden, dass die Taktik vor allem gegen Kinder funktionierte, deren
Väter lange nicht so mächtig waren wie der seine. Auch als
er selbst ein mächtiger Mann geworden war, hatte er mit dieser
Form des Betrugs zunächst noch Erfolge erzielt. Später
hatte er herausgefunden, dass er es gar nicht nötig hatte zu
betrügen. Er konnte die gröbsten Schnitzer machen, ohne
dafür bestraft zu werden. Seine Gegner ahnten, was im wirklichen
Leben, abseits des Spiels gut für sie war und wagten nicht,
seine Schwächen auszunützen. Das machte ihn sozusagen
unbesiegbar.
Bei Maschinen war das anders; sie ließen normalerweise keine
Regelverstöße zu und erlaubten auch nicht, dass man
frühere Züge zurücknahm. Also startete man sie einfach
neu oder ging auf die letzte gespeicherte Position oder auf einen
Spielstand zurück, bei dem der Fehler rückgängig
gemacht werden konnte.
Doch dies war kein Spiel, oder wenn doch, dann wusste Lusiferus
nicht, wie man die Regeln änderte, die Figuren vom Brett fegte
oder den Befehl Gesamtlöschen eingab. Vielleicht endete
dieses Spiel mit dem Tod, und wenn er erwachte, fände er sich in
der umfassenderen Realität wieder, deren Existenz die
›Wahrheit‹ immer postuliert hatte. Das war ein gewisser
Trost, dennoch wollte er nach einer Niederlage lieber nicht mehr
aufwachen.
Die Zeit war das Problem. Die Zeit und die verdammten Dweller.
Die Lusiferus VII schwenkte schwerfällig in den Orbit
um den Planeten Nasqueron ein. Er beobachtete sie vom neuen
Flaggschiff der Hauptflotte aus, dem Jagdboot Raubtier (zugegeben, ein Superschiachtschiff bis auf den Namen.)
Die Zeit war zu knapp. Wie hatte das passieren können?
Wenn er vor dem Start nicht so lang gezögert hätte, wenn
er unterwegs nicht angehalten hätte, wenn er vielleicht nicht
die ganze Flotte zu strenger Formationsdisziplin verpflichtet
hätte… dabei war er ohnehin viel schneller zur Tat
geschritten, als es irgendeiner demokratischen Organisation oder
einem Komitee möglich gewesen wäre. Und es wäre doch
Wahnsinn gewesen, irgendwelche Machtzentren an seiner Vormarschlinie
bestehen zu lassen, wenn er… zurückkehren wollte. Und
Ordnung war wichtig, man musste seine Truppen zusammenhalten. Das war
ein Ausdruck von Loyalität, ein Zeichen für
militärische und persönliche Zucht.
Im Grunde hatte er also keine Wahl gehabt. Sie waren so schnell
hierher geflogen, wie sie nur konnten. Die verdammten Beyonder
hätten ihn warnen müssen, dass die Geschwader der
Generalflotte früher eintreffen würden, als sie gedacht
hatten. Sie waren an allem schuld. Vielleicht hatten sie sich sogar
gegen ihn verschworen. Gewiss, an den Angriffen auf Ulubis hatten sie
sich beteiligt, solange es ihnen ins Konzept passte, aber nie so
entschieden, wie es nötig oder wünschenswert gewesen
wäre. Diese verdammten Moralisten! Jämmerliche Feiglinge!
Nur militärische Ziele! Sie hatten ihm die Drecksarbeit
überlassen, um ihr verdammtes zartes Gewissen nicht zu belasten.
Wären sie so radikal und kompromisslos vorgegangen wie er,
vielleicht wäre alles anders gekommen. Stattdessen hatten sie
ihn so lange unterstützt, bis sie ihn da hatten, wo sie ihn von
Anfang an hatten haben wollen, doch seit er hier war, ließen
sie ihn im Stich.
Lusiferus bereute schon, dass er diese Liss hatte gehen lassen.
Den Industriellen Saluus Kehar hatte er hauptsächlich deshalb zu
seinen Leuten zurückgeschickt, weil er sehen wollte, wie die
reagierten. Würden sie Kehar glauben, wenn er erklärte, er
sei entführt worden? Oder nicht? Die Geschworenen berieten noch;
der Mann wurde von den Sicherheitskräften verhört. Die
Frau, die ihn entführt und, als sie hörte, was der
Archimandrit vorhatte, darum gebeten hatte, ihn persönlich
zurückbringen zu dürfen, war noch vor der Übergabe
verschwunden. Wahrscheinlich zu ihren Beyonder-Freunden. Wie dumm von
ihm, ein potenzielles Druckmittel so einfach aus der Hand zu gehen,
aber er hatte so vieles andere im Kopf gehabt, und zu diesem
Zeitpunkt war das volle Ausmaß des Beyonder-Verrats noch nicht
zu erkennen gewesen.
Wo waren
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