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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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glänzenden Klangkörper und die Pianistin sah.
    Nicht, daß ich über das geübte Gehör verfügte, welches nötig gewesen wäre, um die Qualität und Außerordentlichkeit von Forestas Spiel zu beurteilen. Ich denke, ich wollte es ganz einfach, ich wollte die Außerordentlichkeit. Wie man eben will, daß jemand ein Genie ist.
    Erst als ich Jahre später einen Film über Glenn Gould sah, wurde mir die eigentliche Parallele bewußt. In dieser Dokumentation erzählt ein Cellist, daß er, als er das erste Mal den jungen Gould hörte, sich fragte: »Wer ist das, der so eloquent mit der Rechten als auch der Linken spielen kann, daß man fast meint, hier würde jemand ein Duett mit sich selbst spielen?« Genau das war es, was ich soeben erlebte, ohne daß ich es auf diese Weise hätte ausdrücken können: ein Duett mit sich selbst. Eine so autistische wie virtuose und, körperlich gesehen, völlig unmögliche Darbietung. Denn niemand war zwei, wenn er allein war (außer natürlich man begriff das Klavier als den anderen Menschen).
    Die zweite Unmöglichkeit jedoch war mir schon am Nachmittag bewußt geworden, wie sehr nämlich Clara Forestas Hände zitterten, wenn sie rauchte oder eine Gabel hielt oder ein Glas, und wie wenig, wenn sich die Tasten unter dem Gewicht ihrer Finger senkten. Was aber, wenn ich mich täuschte, und sie zitterte auch dann, wenn sie spielte? Nur, daß es nicht auffiel und auch nicht zu hören war. Ein Zittern, das dieses Spiel vielleicht sogar begünstigte. Weniger ein Zittern als ein Federn. War das möglich? Jedenfalls hätte ich jetzt gerne einen genaueren Blick auf die Hände Forestas geworfen. Blieb jedoch vor dem Türspalt stehen, wagte es nicht einzutreten. Mir war, als beobachtete ich heimlich eine nackte Frau.
    In dieser Position schlief ich allen Ernstes ein, gegen den Türrahmen gelehnt: ein Wyoming-Pferd. Als ich erwachte, war es still, und das wenige Licht stammte allein von der beginnenden Dämmerung. Ich stand nicht mehr, sondern war an derselben Stelle zusammengesunken. Ich fühlte mich ein wenig erschossen. Überlegte aber sogleich, wovon ich geträumt hatte. Doch die Erinnerung war verschwommen, da waren bloß noch Fetzen im Kopf. Fetzen, auf denen sich weder das Antlitz Kerstins noch das von Mercedes abzeichnete, sondern …
    Nun, es war ein Mann in einem Taucheranzug in meinem Traum gewesen, eine kleine, stämmige Person, deren Gesicht hinter einer Taucherbrille verborgen gewesen war. Im klassisch-surrealen Stil eines Traums war er aus einem mit Wasser gefüllten Schrank gestiegen, wobei das Wasser folgerichtig eine stabile senkrechte Wand gebildet hatte, ein im wahrsten Sinne stehendes Gewässer.
    »Ostchinesisches Meer!« dachte ich jetzt und erinnerte mich an jenen Menschen, den ich so vollkommen aus meinem Gedächtnis verbannt hatte. Keinen hatte ich mehr verdrängt als ihn. Ihn, dem ich höchstwahrscheinlich inmitten eines abgestürzten und versinkenden Flugzeugs seine Schwimmweste heruntergerissen hatte und der mich mit einer Klage bedroht hatte, um sich schlußendlich im Zuge glücklich-unglücklicher Umstände den Schädel einzuschlagen, ohne daß ich etwas dafür konnte. Dafür nicht. Allerdings hatte ich seinen Leichnam sicherheitshalber der See übergeben, was ihn zwar nicht toter machte, als er schon gewesen war, aber den Hintergrund seines Ablebens doch sehr veränderte.
    In dem Moment, da ich ihn von der Boje ins Wasser beförderte und die Wellen ihn davontrugen, hatten auch die Wellen in meinem Hirn diesen Mann entfernt. Und nun also war er in beiderlei Bedeutung des Wortes aufgetaucht, aus einem mit Wasser gefüllten Kleiderschrank.
    Wenn er es denn wirklich gewesen war. Ich konnte mich ja nicht einmal an seinen Namen erinnern. Hatte ich seinen Namen überhaupt je erfahren? Seinen richtigen Namen? Mir fiel jetzt ein, ihn seiner Erbschaft wegen den Zehn-Millionen-Mann getauft zu haben.
    Die Frage war nun, ob das Auftreten des ehemaligen Militärtauchers, der nicht mehr dazu gekommen war, seine Millionen auszugeben, irgendeine Bedeutung besaß oder bloß einer Laune der Natur meiner Traumwelt zu verdanken war, gleich dem zufälligen Aufblättern einer vom Wind bewegten Buchseite.
    »Eine Laune der Natur«, bestimmte ich, weil mir eine noch so unangenehme Laune lieber war als ein guter Grund. In diesem Fall wäre ein guter Grund nämlich zugleich ein schlechter gewesen.
    Ich erhob mich und ging nach oben. Kerstin und Simon schliefen noch. Ich trat auf den Balkon

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