Der Allesforscher: Roman (German Edition)
eine Art von Milky-Way-Riegel: zwei dicke Schichten Schokolade und in der Mitte ein schlankes Band weißlicher Creme.
Ich sagte: »Kafka-loh!«
Das war Simons Begriff für »Gute Nacht!« Ich sprach es ein klein wenig anders aus als er, gewissermaßen mit einem deutschen Akzent und im Bewußtsein, dabei an einen bestimmten Schriftsteller von weitreichender Bedeutung zu erinnern.
Kerstin beschied sich mit einem: »Süße Träume, ihr zwei Schlafschweinchen.« Auch nicht schlecht.
31
Auch in dieser Nacht begegnete ich im Traum dem bereits vertrauten Kleiderschrank. Ich sah ihn von fern und war entschlossen, einen großen Bogen um das Ding zu machen. Aber je mehr ich mich um ein Ausweichen bemühte, desto näher geriet ich an das Objekt. Was für einen Traum ja ganz normal war, diese Aufhebung allgemeiner Gesetze zugunsten spezieller.
Dies begreifend, gab ich es auf zu flüchten und setzte meine Kraft nun ein, auf den Schrank zuzurennen. Dieser war bereits offen, und ich konnte die Gestalt im Taucheranzug erkennen, allerdings auch die Spitze einer … nun, es mußte sich um eine Harpune handeln.
Die Waffe bemerkend, spürte ich sofort den Impuls, jetzt doch einen »großen Bogen« zu beschreiben, riß mich aber zusammen und versuchte weiter, mich dem Schrank zu nähern.
Mein Plan ging auf. Ich überlistete den Traum. Indem ich bemüht war, mich auf die Bedrohung einzulassen, geriet ich ebenso rasch von ihr fort. Ich meinte noch den wütenden Ruf des Zehn-Millionen-Manns zu hören, aber da hatte ich mich schon so weit entfernt, daß ich kaum noch das Möbelstück, geschweige denn den daraus hervortretenden Taucher erkennen konnte.
Es war geschafft!
Die Träume, die jetzt noch folgten, blieben schrank- und taucher- und im Grunde bedeutungslos. Es waren allein Ornamente, die dominierten. Dazu paßte, daß ich im letzten Traum an einen Ort geriet, der mich an Wien erinnerte, wo ich ja einmal zur Fortbildung gewesen war. Überall lagen kleine Stücke von Hundekot herum, aber nicht eklig, eher vergoldet, als seien sämtliche Hunde Jugendstilkünstler. Klimt auf vier Beinen.
Als ich erwachte, in meinem Zelt erwachte, stammelte ich: »Was … wollte er mit der Harpune?«
»Welche … Harpune?« stammelte Kerstin zurück und betrachtete mich mit ganz kleinen verschlafenen Augen.
»Ach, ich … nun, er war immerhin Berufstaucher und …«
»Wer war Berufstaucher?«
Ich richtete mich etwas auf. Zwischen uns lag Simon. Ich konnte ihn riechen. Er roch so frisch.
Doch es war jetzt weniger dieser Geruch, der mich beschäftigte, und auch die Frage nicht weiter, wieso der Zehn-Millionen-Mann diesmal neben Maske und Anzug über eine Harpune verfügt hatte, sondern vielmehr der Umstand eines heftigen Geräusches von außerhalb des Zeltes. Es stürmte. Nicht nur das. Denn obgleich ich es noch nicht sehen konnte, ahnte ich bereits, wie heftig draußen der Schnee fiel.
Schnee, der sogleich eindrang, als ich den Zippverschluß öffnete. Das waren mehr als ein paar verirrte Flocken. Ich griff mit der Hand ins Freie und tauchte sie in die Wächte, die sich vor dem Zelt angehäuft hatte. Der Schnee war weich und auf eine gewisse Weise sogar trocken zu nennen. Einen Moment lang dachte ich, er stamme aus der Produktion einer zur Probe aktivierten Schneekanone. Aber Kitzbühel war weit weg.
Im Geflirre des Schneegestöbers sah ich Mercedes näher kommen, der jetzt natürlich seinen Anorak trug. Er kniete sich zu mir herunter und sagte: »Das ist dumm, meine Lieben.«
»Absolut.«
»Jedenfalls müssen wir warten, bis es vorbeigeht.«
»Gerne«, sagte ich.
»Packen Sie sich da drinnen warm ein«, empfahl er.
Ich fragte ihn: »Wollen Sie nicht zu uns kommen?«
»Danke, das ist freundlich. Aber dann wird es zu eng. Da paßt maximal noch ein zweiter Simon hinein.«
Meine Güte ja, es stimmte, im Grunde hätte ich noch einmal Vater werden können. Diesmal leiblicher. Allerdings nicht mit Kerstin als Mutter. Doch eine andere kam für mich nicht in Frage. Ohnehin fühlte ich mich in meiner Rolle so ungemein komplett. Es fiel mir schwer, mir neben Simon ein zweites Kind vorzustellen.
Ich sah Mercedes hinterher, wie er in seinem Zelt verschwand. Mir war klar, wie sehr er sich gerade jetzt nach seiner Frau sehnte. Ich dachte mir: »Na, immerhin hat er sein Messer.«
Und sprach es auch noch laut aus.
Kerstin hörte mich und sagte: »He, hast du dich schon mal an ein Messer gekuschelt?«
Als verlange diese Frage ernsthaft eine
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