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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sie die Erde umrundet hatte und ein gütiger Wind es unternahm, sie wieder genau an die Stelle hinzublasen, wo ich lebte. Natürlich war mir klar, daß ich dann auch im richtigen Moment draußen sein mußte, um nach oben zu schauen. Ich wußte bereits, was das Wort »Timing« bedeutet.
    Zugleich hatte ich die Möglichkeit bedacht, so eine spezielle Wolke könnte auf halber Strecke umdrehen, eine scharfe Kurve beschreiben und denselben Weg zurück nehmen. Um dann freilich schneller zu sein als bei einer Weltumseglung.
    Wie auch immer, es war mir mehrmals so vorgekommen, als könnte ich eine bestimmte Wolke wiedererkennen, selbst wenn ihre Gestalt sich gewandelt hatte. Denn so gescheit war ich auch zu wissen, daß Wolken während ihrer langen Wanderungen sich veränderten, wie auch ich selbst mich veränderte. – Gott, bist du groß geworden, sagten die Leute. Oder: Ich hätte dich gar nicht erkannt. Oder: Mit den kurzen Haaren schaust du jetzt wie ein richtiger Bub aus. – Ja, manchmal waren die Wolken gewachsen, oder aber sie hatten Kurzhaarschnitte bekommen. Und trotzdem war ich mir sicher gewesen, die eine oder andere schon einmal gesehen zu haben.
    Als ich am nächsten Morgen in unserem Zelt erwachte – ohne Erinnerung an Schränke oder vergoldete Exkremente  – und bemerkte, wie der Wind gegen die Plane peitschte, dachte ich mir, daß dieselbe Wolkenfront, die uns am Vortag zu schaffen gemacht hatte und die nach Italien abgezogen war, aus Italien zurückgekehrt war – wie nach einem sehr kurzen, enttäuschenden Urlaub –, um nun erneut in den Tuxer Alpen ein vitales Schneetreiben zu veranstalten.
    Und genau das war der Fall. Durch die alpine Waschküche zog ein wildes Heer von Flocken.
    Dennoch entschied Mercedes, daß wir uns auf den Weg machen sollten. Er meinte, wir seien nahe genug am Ziel. Zur Not müsse man eben unterwegs ein neues Lager aufschlagen.
    Wir gingen los, in den frühen Winter hinein.
    Einmal sagte ich zu Kerstin, wobei ich aber zu Simon schaute: »Ein Pferd für eine Skibrille.«
    »Eigentlich heißt es ein Königreich «, verbesserte mich Kerstin und meinte dann: »Erinnerst du dich, ich hab gleich gewußt, daß der Junge das Richtige tut.«
    Stimmt. Genau so war es gewesen.
    Immerhin, wir hatten alle gute Schuhe und feste Jacken und Creme im Gesicht und heißen Tee im Magen und marschierten nun hinter dem Messerwerfer wie hinter einer Entenmutter her. Mercedes wirkte jetzt wieder ungleich größer, als er tatsächlich war, ganz im Stile des Allesforschers.
    In unseres Führers Windschatten gelangten wir über Kreuzjöchl und Gamslahner (nicht, daß ich in diesem Moment wußte, wie sie hießen, die Berge, die so gut wie unsichtbar im Schneesturm steckten) und hätten nun eigentlich die Glungezerhütte erreichen müssen und damit auch eine Unterkunft, die wir bei diesem Wetter dringend nötig hatten.
    Ich kann wirklich nicht sagen, ob Mercedes uns so geschickt an der Hütte vorbeilotste, daß wir sie nicht zu Gesicht bekamen, oder wir alle im Schneegestöber gar nicht bemerkten, knapp daran vorbeimarschiert zu sein. Keine Frage, daß Mercedes so rasch als möglich zu seiner Frau wollte, die er ja auf der anderen Seite des Berges vermutete, in der tiefer gelegenen Almhütte.
    Wie auch immer, wir verfehlten die Glungezerhütte.
    (Mir ist klar, wie viele Leute jetzt den Kopf schütteln wegen der Nachlässigkeit, mit der ich meinen Sohn in eine solche Situation gebracht hatte. Aber ich war immerhin bei ihm und mit ihm. Andere setzen ihre Kinder vor den Fernseher oder den Computer und stellen Schalen mit Chips hin oder drücken ihnen Geld in die Hand und sagen »Geh ins Kino!« und behaupten, damit die Unabhängigkeit ihrer Sprößlinge zu fördern. Jede Abschiebung, vom Kindergarten an, wird heutzutage von einem Selbständigkeitstheater begleitet.)
    Wir gerieten infolge unserer Hüttenverfehlung alsbald an einen steilen Abhang, wobei an manchen Stellen der Weg fast frei lag, blank geputzt vom Wind. Was sich wieder änderte, als es flacher wurde. Nun sanken wir bis zu den Knien ein.
    Einmal rief ich nach vorn zu Mercedes und erkundigte mich, ob wir noch auf dem richtigen Weg seien.
    »Sehen Sie hier einen Weg?« brüllte er zurück. »Aber die Richtung stimmt, keine Angst.«
    Das hoffte ich sehr. Ich war jetzt wirklich erschöpft, Kerstin ebenso, und selbst Simon wirkte müde. Meine Finger schmerzten in einer Weise, als würden sich zehn kleine Nager an meine Kuppen klammern und

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