Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
Tür, und der Schall rollte wie ein Donnerschlag durchs ganze Haus.
»Mister Buckshot«, sagte er, als ich die Tür öffnete. »Mein Name ist Jitzchak Steinblatt.«
Er war glatte zwei Meter groß und hatte bestimmt hundertsechzig Kilo Lebendgewicht, ein Muskelprotz mit schwarzem Haar und obendrauf eine Jarmulke. Er schenkte mir dasselbe Lächeln, das ein Grizzlybär für einen Lachs übrig hat.
Interessant.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Yid’s Kack«, sagte ich.
»Ich komme vom Israelischen Ministerium für Angelegenheiten der Diaspora. Meine Aufgabe ist es, die ganz besonderen Bindungen zu pflegen, die zwischen den Juden in Amerika und dem Staat Israel bestehen. Ich bin hier, um eine gewisse Zeit mit den Juden in den amerikanischen Südstaaten zu verbringen, und man hat mir gesagt, in Memphis solle ich mit Mister Buckshot sprechen. Es heißt, Sie kennen alle und jeden.«
Das stimmte. »Wer lange rumgekommen ist, kommt rum.«
Er packte meine Hand mit seiner Monsterpranke und schüttelte sie mit bäriger Begeisterung.
»Vorsicht bitte, Großer«, sagte ich. »Ich muss Blutverdünner nehmen, und da krieg ich schnell blaue Flecken.«
»Tut mir sehr leid.«
»Warum kommen Sie nicht herein und trinken eine Tasse Kaffee.« Kein Grund, das Gebot der Gastfreundschaft zu missachten, dachte ich.
»Rose«, rief ich. »Wir haben Besuch von der israelischen Regierung.«
Sie kam aus der Küche herein und musterte den Russen ganz kurz.
»Ich mache uns frischen Kaffee.«
Wir setzten uns an den Küchentisch. Steinblatt trank seinen Kaffee mit viel Milch und drei Päckchen Sweet’N Low . Ich trank meinen schwarz und bitter. Einen Augenblick lang schwiegen wir. Morgens war es angenehm in der Küche. Durchs Fenster am Tisch blickte man in Roses Garten, und es drang viel Sonnenschein herein.
Ich war froh, dass nicht geredet wurde, denn ich musste mich entscheiden, wie ich mit diesem Mann umgehen sollte. Dieses israelische Diaspora-Ministerium schien eine Art PR-Abteilung zu sein, aber ich nahm an, dass dessen Vertreter wahrscheinlich Diplomatenstatus besaßen. Mit dem Begriff »Diaspora« brachten die Israelis sämtliche Juden unter einen Hut, die nicht in Israel lebten, und Juden gab es überall – in den gesamten Vereinigten Staaten, in jedem europäischen Land, sogar in China. Ein so ausgedehntes Betätigungsfeld erforderte gewiss vermehrte Reisetätigkeit.
Ich schaute mir an, wie diese großen sehnigen Hände den Kaffeebecher umschlossen, und erwog sämtliche Schlussfolgerungen, die sich aus Avram Silvers Behauptung ergaben, er habe einen guten Job bei der israelischen Regierung. Achtundvierzig Stunden waren vergangen, seit der ehemalige Nazijäger Tequila und mich am Telefon abgehängt hatte. War dieser Behemoth auf sein Geheiß auf uns losgelassen worden?
»Und wann haben Sie Alija gemacht?«, fragte ich.
»Ich bin 1992 ins jüdische Heimatland eingewandert«, sagte Steinblatt.
»Gleich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.«
»Ja. Es war eine turbulente Zeit. Ich fürchtete um die Sicherheit meiner Familie.«
»Weil Sie Juden sind?«
Er zögerte einen winzigen Moment mit der Antwort, und ich sah in seinen dunklen tiefliegenden Augen etwas Animalisches aufflackern. »Ja.«
Er musste ein russischer Exmilitär sein oder ein ehemaliger KGB-Agent. Ein Undercover-Attentäter des Mossad an meinem verdammten Frühstückstisch. Oder vielleicht war er tatsächlich nur ein etwas zu groß geratener Pressefuzzi der israelischen Regierung. Mein Arzt hatte mich ermahnt, jedwede paranoiden Impulse zu melden, denn sie galten als frühe Symptome einer Altersdemenz.
Ich räusperte mich. »Und wer war es, der Ihnen geraten hat, herzukommen und sich mit mir zu unterhalten?«
»Ich habe mit jemandem bei der Memphis Jewish Federation gesprochen«, antwortete er.
»Sie haben nicht mit Avram Silver geredet?«
Seine Miene blieb entspannt und ausdruckslos.
Ich beschäftigte mich ausgiebig mit meinem Kaffee.
»Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen«, sagte ich und drohte mit dem Finger. »Ich war damals in prähistorischen Tagen Detective, bevor ich alt wurde. Wussten Sie das?«
»Nein, wusste ich nicht.«
»Ein Anfänger bei uns fragte mich mal, woran ich erkannte, dass eine Ermittlung in die fasche Richtung führte. Das war eine interessante Frage, über die ich nachgedacht habe. Teilweise ist es Intuition, teilweise Instinkt. Ich merke außerdem, ob ich Fortschritte mache, wenn Tatsachen, die anscheinend
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