Der alte Mann und das Meer
Das Blut trat in seinen Händen und an denen des Negers unter den Fingernägeln hervor, und sie blickten einander in die Augen und auf ihre Hände und Unterarme, und die Wettenden gingen im Zimmer ein und aus und saßen auf hohen Stühlen an der Wand entlang und sahen zu. Die Wände waren leuchtend blau gestrichen und waren aus Holz, und die Lampen warfen ihre Schatten auf sie. Der Schatten des Negers war riesengroß, und er bewegte sich auf der Wand, wenn der Wind die Lampen bewegte.
Die Wettchancen wechselten die ganze Nacht hindurch, und man flößte dem Neger Rum ein und steckte ihm Zigaretten an. Der Neger hatte dann nach dem Rum eine unerhörte Anstrengung gemacht und einmal den alten Mann, der damals kein alter Mann, sondern Santiago
El Campeon
war, beinah acht Zentimeter zur Seite gedrückt. Aber der alte Mann hatte seine Hand wieder völlig in die Ausgangsstellung zurückgebracht. Nun wußte er, daß er den Neger, der ein famoser Kerl und ein großartiger Athlet war, besiegt hatte. Und beim Morgengrauen, als die Wettenden verlangten, daß der Kampf unentschieden erklärt wurde, und der Schiedsrichter den Kopf schüttelte, hatte er all seine Kräfte angespannt und die Hand des Negers tiefer und tief er gedrückt, bis sie auf dem Holz auflag. Der Wettkampf hatte an einem Sonntagmorgen begonnen und an einem Montagmorgen geendet. Viele der Wettenden hatten ein Unentschieden gefordert, weil sie zur Arbeit in die Docks, zum Zuckersäckeladen oder zu der Kohlengesellschaft von Havanna mußten. Sonst hätten alle auf einem Entscheidungskampf bestanden. Aber er hatte es sowieso beendet und ehe noch jemand zur Arbeit gehen mußte.
Eine lange Zeit noch danach hatte ihn jeder den Champion genannt, und im Frühling hatte man einen Revanchekampf veranstaltet. Aber es wurde nicht viel gewettet, und er hatte ganz leicht gesiegt, da er damals im ersten Wettkampf das Selbstvertrauen des Negers aus Cienfuegos erschüttert hatte. Danach hatte er noch ein paar Wettkämpfe ausgefochten und dann keine weiter. Er hatte festgestellt, daß er jeden besiegen konnte, wenn er heftig genug wollte, und er hatte festgestellt, daß es für seine rechte Hand beim Fischen schlecht war.
Er hatte ein paar Übungskämpfe mit seiner linken Hand probiert, aber seine linke Hand hatte ihn immer im Stich gelassen und tat nicht das, was er von ihr verlangte, und er traute ihr nicht.
Die Sonne wird sie jetzt ordentlich schmoren, dachte er. Sie wird sich wohl nicht noch einmal verkrampfen, falls es in der Nacht nicht zu kalt wird. Was wohl diese Nacht bringen wird?
Ein Flugzeug zog auf seinem Kurs nach Miami über ihn hinweg, und er beobachtete, wie sein Schatten die Schwärme von fliegenden Fische aufschreckte.
»Wo so viele fliegende Fische sind, sollte es Goldmakrelen geben«, sagte er und lehnte sich gegen die Leine um zu sehen, ob es möglich war, seinem Fisch etwas abzugewinnen. Aber er konnte es nicht, und sie blieb hart und sprühte Wassertropfen, was direkt dem Zerreißen vorangeht. Das Boot bewegte sich langsam vorwärts, und er beobachtete das Flugzeug, bis er es nicht mehr sehen konnte.
Es muß sehr merkwürdig in einem Flugzeug sein, dachte er. Wie wohl die See von der Höhe her aussieht? Man müßte die Fische gut sehen können, wenn man nicht zu hoch fliegt. Ich würde gern sehr langsam zweihundert Faden hoch fliegen und die Fische von oben sehen. Auf den Schildkrötenbooten war ich in der Saling vom Mars, und selbst von dieser Höhe aus hab ich viel gesehen. Die Goldmakrelen sehen von da grüner aus, und man kann ihre Streifen sehen und ihre violetten Flecken, und man kann den ganzen Schwärm sehen, wenn sie schwimmen. Woher kommt es, daß alle schnell sich bewegenden Fische in der dunklen Strömung violette Rücken und gewöhnlich violette Streifen oder Flecken haben? Die Goldmakrele sieht natürlich grün aus, weil sie tatsächlich goldgelb ist. Aber wenn sie fressen will und wirklich hungrig ist, zeigen sich an ihren Seiten violette Streifen wie bei einem Marlin. Kann es Wut sein oder die größere Geschwindigkeit, mit der sie schwimmt, die sie zum Vorschein bringen?
Gerade bevor es dunkel wurde, als sie an einer großen Insel von Sargassotang vorbeikamen, die in der leicht bewegten See auf und ab wogte, als ob der Ozean unter jener gelben Decke mit etwas sein Liebesspiel triebe, biß eine Makrele an der kleinen Schnur an. Er sah sie zuerst, als sie, im letzten Sonnenlicht ganz golden, in die Luft sprang und sich in der Luft
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