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Der alte Mann und das Meer

Der alte Mann und das Meer

Titel: Der alte Mann und das Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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bleiben, um es zu schaffen.
    – Langsam und gewissenhaft aß er all die keilförmigen Fischstreifen.
    Er richtete sich auf und wischte seine Hand an der Hose ab.
    »Jetzt«, sagte er, »kannst du die Schnur loslassen, Hand, und ich werd ihn mit dem rechten Arm allein drillen, bis du mit dem Unsinn aufhörst.« Er trat mit dem linken Fuß auf die schwere Leine, die die linke Hand gehalten hatte, und lehnte sich rückwärts, gegen den Druck auf seinem Rücken.
    »Gott, hilf mir, daß der Kampf aufhört«, sagte er. »Weil ich nicht weiß, was der Fisch tun wird.«
    Aber er scheint ruhig zu sein, dachte er, und seinen Plan zu verfolgen. – Aber was ist sein Plan? dachte er. Und was ist meiner? Ich muß mich mit meinem nach ihm richten, wegen seiner ungeheuren Größe. Falls er springt, kann ich ihn töten. Aber er bleibt ja ewig dort unten. Dann werde ich ewig mit ihm dort unten bleiben.
    Er rieb die verkrampfte Hand gegen seine Hose und versuchte, die Finger zu lockern. Aber sie wollte sich nicht öffnen. – Vielleicht wird sie sich durch die Sonne öffnen, dachte er. Vielleicht wird sie sich öffnen, wenn der kräftige rohe Thunfisch verdaut ist. Wenn ich sie haben muß, werde ich sie öffnen, koste es, was es wolle. Aber jetzt will ich sie nicht mit Gewalt öffnen. Sie soll sich von selbst öffnen, und von selbst wieder in Ordnung kommen. Immerhin hab ich sie die Nacht durch stark mißbraucht, als ich die verschiedenen Leinen losmachen und anschlingen mußte.
    Er blickte über das Meer und wußte, wie allein er jetzt war. Aber er konnte die Lichtbrechungen in dem tiefen, dunklen Wasser sehen und die vorwärtsziehende Leine und das seltsame Wellenspiel der Windstille. Die Wolken türmten sich jetzt unter dem eindringenden Passatwind, und er blickte geradeaus und sah eine Schar von Wildenten, die sich über dem Wasser gegen den Himmel abzeichneten, und er wußte, daß man auf See niemals allein war.
    Er dachte daran, wie sich manche Leute fürchteten, wenn sie in einem kleinen Boot das Land aus den Augen verloren, und wußte, daß sie in den Monaten, in denen plötzlich Schlechtwetter eintritt, recht hatten. Aber jetzt befand man sich in den Orkanmonaten, und wenn keine Orkane sind, ist das Wetter in den Orkanmonaten das beste des ganzen Jahres.
    Wenn ein Orkan kommt, sieht man auf See die Anzeichen hierfür immer schon Tage vorher am Himmel. – An Land sehen sie sie nicht, weil sie nicht wissen, wonach sie Ausschau halten sollen, dachte er. Das Land macht sicher auch einen Unterschied in der Form der Wolken. Aber jetzt ist kein Orkan im Anzug.
    Er blickte in den Himmel hinauf und sah die weißen Kumuluswolken, die wie anheimelnde Berge von Sahneeis aussahen, und hoch darüber waren die zarten Federn der Zirruswolken in dem hohen Septemberhimmel. »Leichte
brisa
«, sagte er, »besseres Wetter für mich als für dich, Fisch.«
    Seine linke Hand war noch verkrampft, aber er lockerte sie langsam.
    Widerwärtig, so ein Krampf, dachte er. Es ist ein Verrat des eigenen Körpers.
    Es ist demütigend, wenn man durch eine Vergiftung vor andern Leuten Durchfall bekommt oder sich übergeben muß. Aber ein Krampf, er dachte daran als
calambre
, ist demütigend für einen selber, besonders, wenn man allein ist.
    Wenn der Junge hier wäre, könnte er sie mir massieren und es vom Unterarm her lockern, dachte er. Aber es wird sich schon lockern.
    Dann spürte er mit der rechten Hand den Unterschied im Zerren der Leine, bevor er im Wasser den Wechsel der Neigung gesehen hatte. Dann, als er sich gegen die Leine lehnte und seine linke Hand hart und schnell gegen seinen Oberschenkel schlug, sah er, wie die Leine sich langsam aufwärts schrägte. »Er kommt rauf«, sagte er. »Komm, mach mit, Hand. Bitte mach mit.«
    Die Leine hob sich langsam und stetig, und dann wölbte sich die Oberfläche des Ozeans vor dem Boot, und der Fisch kam heraus. Er kam heraus, ohne Ende, und das Wasser strömte ihm von den Seiten. Er leuchtete in der Sonne, und sein Kopf und sein Rücken waren dunkelviolett, und in der Sonne sah man an seinen beiden Seiten breite, lavendelfarbene Streifen. Sein Schwert war so lang wie ein Baseballschläger und zugespitzt wie ein Rapier, und er hob sich in seiner ganzen Länge aus dem Wasser, und dann glitt er wie ein Taucher so geschmeidig wieder hinein, und der alte Mann sah das große Sensenblatt des Schwanzes verschwinden, und die Eeine begann wegzusausen.
    »Er ist zwei Fuß länger als das Boot«, sagte der alte

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