Der alte Mann und das Meer
bog und heftig um sich schlug.
Wieder und wieder machte der Fisch seine akrobatischen Angstsprünge, und der alte Mann arbeitete sich ans Heck zurück und kauerte sich hin und hielt die starke Leine mit der rechten Hand und dem rechten Arm und zog die Makrele mit der linken Hand heran. Jedesmal trat er mit dem nackten linken Fuß auf die eingeholte Schnur. Als der Fisch achtern war und aus Verzweiflung von einer Seite zur anderen tauchte und kreuzte, beugte sich der alte Mann übers Heck und hob den goldglänzenden Fisch mit den violetten Flecken ins Boot. Seine Kiefer arbeiteten krampfhaft in schnellem Zubiß gegen den Haken, und er hämmerte mit seinem langen, flachen Körper, seinem Schwanz und seinem Kopf gegen den Boden des Boots, bis der alte Mann ihn mit der Keule über den schimmernden, goldenen Kopf schlug und er erzitterte und still war.
Der alte Mann hakte den Fisch los, beköderte die Schnur mit einer neuen Sardine und warf sie aus. Dann arbeitete er sich langsam wieder nach vorn zurück. Er wusch seine linke Hand und wischte sie sich an seiner Hose ab. Dann wechselte er die schwere Leine von der rechten Hand in die linke hinüber und wusch seine rechte Hand in der See, während er die Neigung der schweren Schnur und das Versinken der Sonne im Ozean beobachtete.
»Er ist noch ganz unverändert«, sagte er. Aber während er die Bewegung des Wassers gegen seine Hand beobachtete, fiel ihm auf, daß sie jetzt merklich langsamer war.
»Ich werde die beiden Riemen über dem Heck zusammenbinden, und das wird seine Geschwindigkeit in der Nacht verringern«, sagte er. »Der ist reif für die Nacht, und ich bin’s auch.«
Es ist besser, wenn ich die Makrele etwas später ausweide, damit das Blut im Fleisch bleibt, dachte er. Ich kann das ein bißchen später tun und gleichzeitig die Riemen zusammenbinden, um eine Art Bremse herzustellen. Ich sollte den Fisch wohl jetzt lieber ruhig halten und ihn bei Sonnenuntergang nicht zu sehr stören.
Sonnenuntergang ist für alle Fische eine schwierige Zeit.
Er ließ seine Hand an der Luft trocknen, dann ergriff er die Leine mit ihr und machte es sich, soweit er konnte, bequem und ließ sich gegen das Holz vorwärtsziehen, so daß das Boot ebensoviel oder mehr Druck als er bekam.
Ich lerne, wie man’s machen muß, dachte er. Wenigstens diesen Teil von der Geschichte. Dann vergiß auch nicht, er hat, seit er den Köder genommen hat, nichts gefressen, und er ist riesengroß und braucht viel Nahrung. Ich habe den ganzen Bonito gegessen. Morgen werde ich die Goldmakrele essen. Er nannte sie
dorado
. Vielleicht sollte ich etwas von ihr essen, wenn ich sie ausnehme. Die wird schwieriger zu essen sein als der Bonito. Aber schließlich ist nichts leicht.
»Wie geht es dir, Fisch?« fragte er laut. »Mir geht’s gut, und meiner linken Hand geht es besser, und ich habe genug Essen für eine Nacht und einen Tag.
Zieh das Boot, Fisch.«
Es ging ihm nicht wirklich gut, weil der Schmerz von der Leine, die über seinen Rücken lief, beinah jenseits allen Schmerzes war und in eine Dumpfheit übergegangen war, der er mißtraute. – Aber ich hab schon Schlimmeres als das gehabt, dachte er. Meine Hand ist nur ein bißchen zerschnitten, und der Krampf ist aus der anderen verschwunden. Meine Beine sind in Ordnung. Und jetzt bin ich ihm, auch was die Ernährung betrifft, über.
Es war jetzt dunkel, wie es im September, wenn die Sonne untergegangen ist, schnell dunkel wird. Er lag gegen das abgenutzte Holz des Bugs und ruhte sich aus, so gut er konnte. Die ersten Sterne waren da. Er kannte den Namen des Rigels [3] nicht, aber er sah ihn und wußte, daß sie bald alle da sein würden und er all seine fernen Freunde um sich haben würde.
»Der Fisch ist auch mein Freund«, sagte er laut. »Ich hab noch nie solchen Fisch gesehen und auch nie von so einem gehört. Aber ich muß ihn töten. Ich bin froh, daß wir nicht versuchen müssen, die Sterne zu töten.«
Stell dir mal vor, wenn ein Mann jeden Tag versuchen müßte, den Mond zu töten, dachte er. Der Mond läuft davon. Aber stell dir mal vor, wenn ein Mann jeden Tag versuchen sollte, die Sonne zu töten. Wir sind noch glücklich dran, dachte er.
Dann tat ihm der große Fisch, der nichts zu fressen hatte, leid, aber sein Entschluß, ihn zu töten, wurde durch sein Mitgefühl für ihn nicht geschwächt.
Wie vielen Menschen wird er als Nahrung dienen, dachte er. Aber sind sie’s wert, ihn zu essen? Nein, natürlich nicht. Es gibt
Weitere Kostenlose Bücher