Der Amboss der Sterne
zog sich verwirrt zurück.
»Keine Warnung?«
»Keine Warnung«, sagte die Mutter.
Während des Drittens war Martins primäre Wohnung – er hatte sie einst mit Theodore geteilt – sphärisch gewesen. Auf der einen Seite waren Netze voll mit den Gütern, die die Mütter hergestellt hatten, um den Kindern ein Gefühl von Platz und Zweck zu geben: Papierbücher und Juwelen. Seit die Abbremsung begann, hatte Martin die Wohnung mit einigen flachen Leisten ausgestattet, auf denen er sitzen oder gegen die er sich stützen konnte. Sein Schlafnetz war gegen einen Schlafsack ausgetauscht und hing an einer Schlaufe zwischen zwei Pfeilern.
Theresa kam zu ihm in seine primäre Wohnung in der zweiten Heimkugel nach einer zehnstündigen Periode selbst auferlegter Isolation. Sie trat vor seine geschlossene Luke und fragte diskret durch sein Handy, ob er erreichbar wäre. Er ballte stöhnend die Fäuste und hieb auf den elastischen Fußboden ein. Dann schwang er sich von der Leiste und öffnete die Tür.
»Ich wollte dich nicht belästigen…«, sagte sie mit verkrampftem Gesicht, zerzaustem Haar und glänzender Haut. »Wir haben trainiert. Harpal und Stephanie haben mir gesagt, daß du hier wärest…«
Er ergriff sie und drückte sie ungestüm an sich. »Ich brauche dich. Ich brauche jemanden, der mich im Gleichgewicht hält.«
Sie preßte das Gesicht an seine Schulter und sagte: »Ich freue mich.« Sie trug knappes Arbeitszeug, blaue Shorts und ein lockeres Oberteil. »Die Übungen sind gut«, sagte sie. »Wir halten uns wirklich ran.«
»Ich bin auf dem Friedhof«, sagte er und wischte mit dem freien Arm über eine elektronische Tafel und Bücher, die in seiner Schlafecke aufgestapelt waren. Was sie ›Friedhof‹ nannten, war alles über die Menschheit, das in den Bibliotheken der Dämmerungsgleiter gespeichert war.
»Taktik?« fragte sie.
Er zog ein Gesicht. »Man kann es so nennen.«
Sie zog ihn noch einmal an sich, ehe sie sich durch den Stapel wühlte und die Tafel zur Hand nahm. Er hatte nichts gegen ihre Neugier. Sie schien sich für alles an ihm zu interessieren, und er fühlte sich geschmeichelt. Sie sagte: »Marshai Saxe«, während sie die Darstellungen durchsah. Sie hob ein Buch hoch. »Bourcet und Gilbert, Clausewitz, Caemerrer, Moltke, Goltz.« Sie zog eine Augenbraue hoch.
»Die Armeen sollten einander sehen und Ausfälle gegeneinander machen. Wir kämpfen nicht einmal mit Armeen.«
»Sie sind das Volk, welches T. E. Lawrence studierte, als er jung war«, sagte Theresa und überraschte ihn abermals. »Du hast Liddell Hart gelesen.«
Er lächelte bekümmert. »Du auch.«
»Ich und ungefähr zwanzig weitere. Ich habe nach Aufzeichnungen verlangt, zu denen die Besatzung Zugang hat.«
Martin grinste kläglich. »Ich hätte daran denken sollen. Zu sehen, was sie – denken und auf was sie sich vorbereiten.«
»Die meisten erledigen bloß deine Übungen. Sie respektieren dich. Sie denken, du weißt, was du tust. Hans betreibt eine Menge Extraforschung. Erin Eire. Ariel.«
»Ich freue mich, daß sie mir auf den Fersen bleiben.«
»Wir können es uns nicht leisten, Risiken einzugehen, selbst mit dir, Martin.«
Theresa hatte früher nie in einem solchen Ton mit ihm gesprochen. Wollte sie einen Mangel an Vertrauen andeuten? Sie lächelte; aber die Frage war aufgeworfen, und sie schaute weg, als ihr das bewußt wurde.
»Ich kritisiere dich nicht, Martin, aber du – wir – werden in Büchern der Erde über Strategie nicht viele Antworten finden.«
»Stimmt«, sagte Martin.
»Wir können nicht dauernd zurückblicken.«
»Das ist alles, was wir haben«, sagte Martin.
»Nicht so.«
Martin nickte. »Ich meine, es ist alles, was wir haben, das uns gehört.«
Theresa legte die Bücher zurück und stellte die Tafel wieder auf den Text, den er gelesen hatte. Sie sagte kopfschüttelnd: »Ich bin nicht hierher gekommen, um darüber zu sprechen.«
»Ich beschäftige mich nicht bloß mit Geschichten und Texten der Erde«, erwiderte Martin. »Ich habe alles durchgenommen, was uns die Mütter gelehrt haben. Sie haben keinen Drill für die Außenübungen aufgestellt. Sie wollen uns anscheinend überraschen. Das gefällt mir nicht, aber ich verstehe, worauf es ihnen ankommt.«
»Martin, du brauchst eine Pause.«
»Es ist keine Zeit!« erwiderte er heftig und ballte wieder die Fäuste.
»Kannst du klar denken?«
Er hielt inne, schüttelte den Kopf und preßte die Handflächen gegen die Schläfen. »Nicht
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