Der Amboss der Sterne
Abtrennung stand Rosa im Schulraum bei der Sternsphäre und weniger als zwölf Meter von der schweigenden Kriegsmutter entfernt. Ihre Lider waren schwer und ihr Haupt gebeugt. Ihre Hände bebten wie Blätter in einer leichten Brise. Sie war nackt bis auf einen um den Hals gebundenen Schal. Mattes Licht von der Sternsphäre zeichnete ihre blasse Haut.
Liam Oryx kam in den Schulraum, um nach Hakim zu schauen. Sie sah Rosa und rief sofort Martin auf seinem Handy an. Der rief auch Ariel.
Martin traf mit Theresa ein, aber William war zuerst angekommen. Er ging langsam auf Rosa zu, ohne etwas zu sagen.
Rosa sagte: »Ich brauche euch nicht.«
»Ist etwas nicht in Ordnung?« rief Ariel hinter William. »Rosa?«
»Ich habe es wieder gesehen. Es hat zu mir gesprochen. Ich kann nicht aufhören, Dinge zu sehen, die nicht real sind.«
William blieb drei Meter vor ihr stehen, neben der Kriegsmutter, die nichts sagte und sich nicht bewegte. Er fragte: »Was hat es gesagt?«
Martin biß sich auf die Lippe und sah schweigend zu. Sein Magen wurde schwach. So wenig Zeit. Jedes Kind ist kostbar.
Theresa kletterte im Schulraum herum und hockte sich neben Ariel hin. Andere Kinder kamen herein, bis schließlich fünfzehn im Zimmer waren, die ganze Familie von Rosas Sippe und noch fünf weitere.
William wiederholte: »Was hat es gesagt?«
»Es ist lebendig. Es lebt hier draußen«, sagte Rosa. »Es sieht und hört Dinge, die wir nicht wahrnehmen können. Es ist sehr groß. Ich denke, es könnte ein Gott sein. Manchmal haßt es uns, manchmal liebt es uns.«
Martin schloß die Augen. Jetzt wußte er – in seinem Fleisch und Gebein –, was er schon intellektuell gewußt hatte. Sie hat sich innen gesehen. Sie hat nichts gesehen, das für uns real ist.
»Es hat gesagt, daß Martin ein schlechter Führer ist.« Sie hob den Kopf. »Er weiß nicht, was er tut. Er wird uns in den Tod führen. Er versteht nicht.«
»Wie will jemand anders wissen, wie gut Martin ist?« fragte William.
»Rosa, hör auf!« rief Ariel.
Alexis Baikal sagte: »Das stimmt nicht. Das ist es nicht, was ich gesehen habe.«
»Ruhe!« sagte William, den Blick fest auf Rosa gerichtet. »Rosa, jeder hat etwas anderes gesehen. Das bedeutet, sie haben das gesehen, was sie sehen wollten.«
Rosa schüttelte hartnäckig den Kopf.
William sagte: »Ich denke, wir haben etwas Panik. Das war nur zu erwarten. Wir sind jung, und all dies ist sehr fremdartig und schwierig.«
»Sei still!« sagte Rosa und warf den Kopf zurück – eine nackte Walküre in der Oper. Sie wirkte so verwundbar; und dennoch konnte Martin ihre Bedrohung für den Job so greifbar empfinden, als wäre sie eine Wespe, die ihm ins Fleisch stechen würde. Keine Zeit zu verlieren.
Er sagte nichts und beobachtete William.
William nickte Ariel zu und sagte: »Ariel, sie ist unsere Freundin. Sie braucht unsere Hilfe.«
»Sie ist ein Opfer«, sagte Ariel.
»Schluß damit!« schrie Rosa.
William fuhr unbeirrt fort: »Du empfindest unsere Panik, unsere Angst. Du bist sehr auffassungsfähig. Rosa, du siehst, was wir fühlen.«
»Rosa, komm mit mir!« sagte Ariel.
»Ich will nicht kämpfen«, sagte Rosa. »Keiner von euch sollte kämpfen. Des Boss hat unrecht. Er ist…«
»Genug, bitte!« sagte Ariel mit vor Erregung heiserer Stimme.
Martin sah Theresa und Alexis Baikal weinen. Und als William sich umdrehte, sah Martin, daß sein Gesicht feucht war. Ihm stockte der Atem. Er trat vor.
»Du brauchst nicht zu kämpfen, Rosa«, sagte er.
Rosa Sequoia blickte auf die fünfzehn Gefährten rund um sich, faltete die zitternden Hände und sagte: »Aber ich habe trainiert. Ich verdiene es ebenso sehr wie jeder von euch. Der Boss kann mich nicht von meiner Pflicht entbinden.«
Pan… Boss… Panik. Die Worte hüpften. Wenn sie fortfährt, wird es sich verbreiten, und wir werden alle verrückt werden. Wir sind nahe daran.
»Ich hasse dich«, sagte Rosa zu Martin mit zusammengekniffenen Augen und aufgeworfenen Lippen. »Ich hasse alles, für das du stehst.«
Ariel nahm sie am Arm. William ergriff ihren anderen Arm. Sie führten sie gemeinsam fort.
Theresa stand an Martins Seite, als Rosa den Raum verließ. »Wer wird ihre Aufgaben übernehmen?« fragte sie.
»Das kann Ariel tun«, sagte er und blickte dorthin, wo Rosa gestanden hatte. »Rosa erhält Stubenarrest.«
»Und wenn wir uns trennen?«
»Sie bleibt auf der Hase. Die Schildkröte kann sie sich nicht leisten.«
»Dann solltest du lieber mit Hans
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