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Der Amboss der Sterne

Der Amboss der Sterne

Titel: Der Amboss der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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schlossen. Martins Körper prickelte, und alle inneren Emotionen verlangsamten sich.
    Aber irgend etwas blieb zurück. Was hätte ihm etwa noch bleiben können? Undefinierte Erinnerung, vielleicht eine Illusion. Wer konnte sagen, wo diese Erinnerung anfing? Während ihrer Einziehung, oder später als eine Bilanz der chemischen Buchhaltung seines Gehirns…
    An was er sich später erinnerte, war ein märchenhafter Faden persönlicher Kontinuität, alle Gedanken auf Gleichnisse reduziert und ein extraphysisches Bewußtsein des Sterns in seinen letzten Phasen. Daß eine solche Erinnerung und Wahrnehmung unmöglich waren, machte es nicht weniger zwingend.
    Wormwood
    erblühte wie eine Narzisse
    mit zwei Strähnen intensiv blonden Haars
    und einem Seufzen von Neutrinos, Phantompartikeln jetzt in solchen Anzahlen, daß sie millionenfach stärker bliesen als Orkane
    über das Klingen in seinem Körper, die Schlacht der Neutrinos, um seine Chemie zu ändern, stärker als Materie durch das Schiff fegend; ein leichtes Flüstern von Überredung, wie eine Schar autistischer Kinder, die, nie gehört, plötzlich alle auf einmal ins Ohr schreien; die Stillen in Raum und Zeit in ihrer Befreiung eine Stimme gewinnend, die von Flüstern zu drängendem Geschrei wurde.
    Die wiederhergestellte Dämmerungsgleiter hatte einen Punkt über dem Südpol des Sterns erreicht, wo sie sich stoßen ließ, zunächst sehr langsam, mit aufgefülltem Treibstoffvorrat, auf dem Ansturm der Neutrinos reitend. Ihre Besatzung wurde an ihrem Platz gehalten gegen die Überredung dieser Winde und gegen das subnukleare Argument für tödliche Veränderung. Sie akzeptierte nur die Kraft und nicht die Überredung.
    Der Fuchs spricht mit dem Orkan und ruft: »Ich muß weit und schnell reisen. Kannst du mich mitnehmen?« Der Orkan betrachtet den kleinen Fuchs mit seinem riesigen und ruhigen Auge und fragt: »Was kannst du für mich tun?«
    »Nun, ich werde dich mir deine Träume zuflüstern lassen.«
    »Aber ich muß alles töten, was ich trage. Du bist ein Lebewesen und willst nicht sterben.«
    »Wenn du mich nicht sterben läßt, werde ich deinem innersten Ich lauschen und es allen Tieren erzählen, damit sie Sympathie für dich empfinden.«
    »Was kümmert mich Sympathie? Ich bin allmächtig.«
    »Jawohl, aber eines Tages werden deine Winde sterben, und meine Kinder werden diese Geschichte erzählen, wenn du dahin bist, von der Zeit, da der Urururgroßvater Fuchs von den Winden getragen wurde und lebte und ihre Geheimnisse erfuhr.«
    »Aber dann werden sie keine Angst vor mir haben, und wozu bin ich gut, wenn ich keine Furcht einflöße?«
    »Oh, kein Lebewesen könnte je so stark sein, daß es sich nicht vor dir fürchten würde. Ich gebe dir etwas mehr. Ich gebe dir eine Stimme durch die Zeit, die mehr ist als ein wortloses Wutgebrüll.«
    Die Dämmerungsgleiter fuhr in Spiralen durch die Fahnen aus Gasen, die nach Süden vom Scheiterhaufen Wormwoods aufstiegen, und sammelte Treibstoff. Sie schöpfte Hunderttausende Tonnen an Wasserstoff, Helium und Lithium auf, komprimierte sie und speicherte sie in Hüllen um ihre Taille, wie eine Biene Pollen sammelt.
    Es lag eine gewisse Freude in ihrem Flug fort von dem sterbenden System. Sie hatte den letzten Sturmangriff der Killer abgewehrt, deren Falle zu einem Füllhorn geworden war.
    Die Leute verbrachten ein stilles, ruhiges Jahr im Schulraum. Ein weiterer Zeitabschnitt war ihnen zuerteilt.
    Hinter ihnen, in ein rötliches Loch schrumpfend, begrub Wormwoods Nebel die entferntesten Bereiche des Systems. Alle Spuren alter Verbrechen waren getilgt: Planeten, orbitale Warnsysteme, Wolken ausgebeuteten vorgeburtlichen Materials, Nadelschiffe.
    Alles wurde zu kosmischer Asche. Allein das war ihren Tod wert, aber sie starben nicht.
    Die Asche von Gasen strömte um sie herum und ihnen voraus, und sie atmeten sie in vollen Zügen ein, wie ein ertrinkender Mensch dankbar tief Luft holt.
     
    Martin nahm ein Glas Wasser von Hakim entgegen.
    Zehn Leichen lagen nebeneinander um die Peripherie des Schulraumes. Hans stand über ihnen, schweigend, das Kinn in der Hand, schon eine halbe Stunde lang. Alle paar Minuten schüttelte er den Kopf und grunzte wie in frischer Verwunderung. Die Toten: Jorge Rabbit, David Sasquatch, Min Giao Monsoon, Thomas Orchard, Kees Northsea, Sig Butterfly, Liam Oryx, Giorgio Livirno, Rajiv Ganges und Ivan Hellas. Sie trugen keine Anzeichen von Gewalt, bis auf kleine purpurne Flecken auf Gesicht und

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