Der Amerikaner - The American
dem, was Kealey erwartet hatte. Die meisten Wände waren hellblau gestrichen, die Flure mit Teppichboden ausgelegt. Mit billigem Teppichboden, aber immerhin. Für eine Strafvollzugsanstalt erschien ihm das außergewöhnlich. Am meisten aber überraschte ihn die Abwesenheit von Lärm, was ihm erst nach einer Weile auffiel.
North bemerkte seine Verblüffung. »Das hier nennt man einen Knast der ›neuen Generation‹. Alles wird aus einer einzigen Zentrale heraus überwacht, und die Justizbeamten bewegen sich ungezwungen unter den Häftlingen. Wenn die laut werden oder
Streit anzetteln, werden sie sofort weggesperrt. Schalldämmung wurde auch schon beim Bau des Gefängnisses berücksichtigt.«
»Hört sich so an, als wäre das alles ganz schön teuer.«
»Meiner Ansicht nach sind die positiven Effekte höher zu veranschlagen als die Kosten. Wie auch immer, Elgin ist bereits in das CIM-Programm aufgenommen worden. Mir war klar, dass es irgendwann passieren würde, aber …«
»Moment, das müssen Sie erklären.«
Sie kamen durch einen offenen Raum mit Holztischen und bequem wirkenden Sesseln. Mehrere Häftlinge drängten sich um einen leise eingestellten Fernseher, ganz von einem Basketballspiel gefangen genommen. Neben ihnen stand ein gelangweilter Justizbeamter. Kealey wunderte sich über sein lässiges Verhalten und war noch immer von der entspannten Atmosphäre überrascht.
Er wandte sich wieder North zu, als der ihm die Abkürzung erklärte. »CIM steht für Central Inmate Monitoring, also für eine Art Überwachungsprogramm. Zuständig dafür ist das FBI. Betroffen sind auch Häftlinge, deren Prozess noch nicht begonnen hat, und Elgin ist außerdem dabei, weil sein Fall bereits in den Medien Furore gemacht hat.«
Kealey runzelte die Stirn. »Ich hoffe, er bekommt keine Sonderbehandlung.«
North schüttelte den Kopf. »Nein, nichts dergleichen. Aber man widmet ihm besondere Aufmerksamkeit. Darauf will ich ja hinaus. Ich kann nicht garantieren, dass ich es schaffen werde, Sie unter vier Augen mit ihm reden zu lassen.«
Kealey blickte ihn scharf an. »Ohne Ihre Hilfe komme ich hier nicht weiter.« Als er kurz darauf weitersprach, tat er es mit gedämpfter Stimme. »Um es präziser auszudrücken, ich bin darauf angewiesen, dass Sie die Klappe halten, wenn es vorbei ist. Wir
haben bereits darüber geredet. Wenn Sie aussteigen wollen, sagen Sie es einfach.«
Sein Tonfall ließ für North wenig Zweifel daran, dass es zum Aussteigen zu spät war. »Irgendwie werde ich es schon schaffen.«
Kealey lächelte erleichtert. »Gut.«
Eine elektronische Tür öffnete sich, und sie traten in die Zentrale. Sekunden später kam ein Lieutenant zu ihnen, der für diese Schicht die Verantwortung trug, und streckte die Hand aus.
»Louis Jackson. Freut mich, Sie kennen zu lernen.« Jackson war ein stämmiger, glatzköpfiger Schwarzer, der Ende vierzig zu sein schien. Trotz seiner makellosen Uniform war klar zu erkennen, dass er ein sehr muskulöser Mann war. Was Kealey nicht wunderte, denn seine Hand schmerzte immer noch von dem kräftigen Händedruck.
»Sie scheinen eine Menge Einfluss zu haben«, sagte Jackson mit dunkler Stimme. »Heute Morgen haben mich Harper von der CIA und Nance von der DEA angerufen. Beide meinten, Sie würden meine Eier in einem Schraubstock zerquetschen, wenn ich Sie nicht zu Elgin vorlasse.«
North kicherte. »Wir wollen Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten, Sir. Glauben Sie mir, wenn es nach uns ginge, würden wir mit diesem Arschloch nicht mehr reden.«
»Sie haben Recht, er ist ein Arschloch.« Auch Jackson lachte, wurde aber sofort wieder ernst. »Trotzdem, er ist ein wichtiger Häftling, der unter meinem Dach sitzt, und sein Rechtsbeistand könnte mir Scherereien machen. Diese Anwältin ist noch ärgerlicher als Elgin, aber sie kennt ihr Geschäft.«
»Anwältin?«, fragte Kealey überrascht. Warum zum Teufel hatte eine Frau Interesse daran, Elgin zu vertreten? »Wer ist sie?«
»Ihr Name ist Alex Harris«, antwortete Jackson. »Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit ihr zu tun habe. Sie hat eine eigene
kleine Kanzlei in Richmond, und ihre bisherige Bilanz ist ziemlich gut. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich bin erstaunt, dass Elgin clever genug war, sie zu engagieren.« Er hob warnend den Zeigefinger. »Wie auch immer, mir geht’s um Folgendes: Ich bereite Ihnen gern einen angenehmen Aufenthalt, aber wenn Harris mir die Hölle heiß macht, weil Sie irgendwie Scheiße gebaut
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