Der Amerikaner - The American
früher auspacken, als du denkst. Unwillkürlich schaute er auf die Wanduhr. Seit sie das Verhörzimmer verlassen hatten, waren fünf Minuten vergangen.
Noch nie waren ihm fünf Minuten so lang vorgekommen.
Als Kealey sich gerade von der Rezeption entfernte, hörte er hinter sich eine Stimme. »Entschuldigung, Sir? Was hatten Sie gerade hier zu suchen?« Die Stimme wurde lauter. »Bitte, Sir, beantworten Sie meine Frage.«
Kealey drehte den Kopf, ging aber unbeirrt weiter. Große Sorgen machte er sich nicht, denn die Stimme klang unsicher. Sie
gehörte einer Frau und ähnelte nicht der einer hartgesottenen Gefängnisangestellten. »Ich arbeite für die Strafverfolgungsbehörden. Reden Sie mit Jackson, er hat mir aufgetragen, die Durchsage zu machen.«
Der letzte Satz klang ziemlich sinnlos, wirkte aber wie beabsichtigt. Die Frau starrte ihm verwirrt nach und griff zum Telefon, war aber unschlüssig. Sie hatte im Pausenraum im Flüsterton vorgebrachte Gerüchte über Jacksons legendäre Wutanfälle gehört. Warum sollte sie ihn ohne guten Grund behelligen, zumal der Mann ganz offensichtlich kein Häftling war?
Was konnte schon Schlimmes passiert sein?
Sie legte den Hörer wieder auf die Gabel, setzte sich und machte mit ihrer Arbeit weiter.
Kealey eilte durch drei Korridore und stand schließlich wieder vor dem Verhörzimmer. Erleichtert nahm er zur Kenntnis, dass Matthews verschwunden war, doch dann verfluchte er sich selbst, weil ihm aufging, dass der Wärter wahrscheinlich vor seinem Aufbruch in Richtung Werkstätten die Tür abgeschlossen hatte.
Wenn ja, konnte er nach Hause fahren. Ihm blieb keine Zeit, das Schloss zu knacken, denn es konnte nur eine Frage von Minuten sein, bis North und die Anwältin zurückkamen. Oder Matthews, mit Verstärkung, falls er begriffen hatte. Hoffentlich war er so blöd, wie er aussah …
Offensichtlich. Er atmete erleichtert auf, als die Klinke sich problemlos niederdrücken ließ.
Er stieß die Tür auf und trat in das Verhörzimmer.
North beugte sich über den Tisch und schaute Alex Harris eindringlich an. »Sie müssen realistisch bleiben. Einen kompletten Widerruf in schriftlicher Form können Sie vergessen, denn damit
wäre die Anklage wegen Beihilfe zum Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung hinfällig.«
»Ich dachte, darauf wollten Sie hinaus«, sagte sie verärgert. »Erwarten Sie, dass ich einfach auf Ihr Wort vertraue und Elgin zum Auspacken veranlasse? Ist es das, was Sie wollen?«
Er schaute ihr lange in die Augen. Mittlerweile waren sieben Minuten verstrichen. Hoffentlich war Kealey schnell. »Wissen Sie eigentlich, dass das Finanzministerium die Guthaben Ihres Mandanten bereits eingefroren hat, Miss Harris?«
Ihre Miene veränderte sich, und sie versuchte es zu verbergen, indem sie ihre Tasse hob und einen langen Schluck Kaffee trank. Trotzdem ließen ihre geröteten Wangen keinen Zweifel daran, dass diese Neuigkeit überraschend gekommen war. Er beschloss, noch etwas mehr Druck zu machen.
»Aber woher hätten Sie es auch wissen sollen, da die Sperrung der Konten nicht auf die Initiative des vorsitzenden Richters zurückging? Soweit ich weiß, ist Ihre Kanzlei ziemlich klein. Ich glaube nicht, dass Sie es sich zeitlich leisten können, umsonst zu arbeiten …«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, unterbrach sie aufgebracht. »Dass ich einen Antrag stelle, den Fall abgeben zu dürfen, und ihn einem Pflichtanwalt übergebe, der gerade erst mit der Ausbildung fertig ist? Wenn Sie darauf hoffen, verschwenden Sie nur Ihre Zeit. Und meine.«
Sie stand auf, schob wütend die Brille hoch und griff nach ihrer Aktentasche. Als sie gerade den Besucherraum verlassen wollte, rief North ihr noch etwas nach.
»Warum vertreten Sie ihn eigentlich?« Harris blieb stehen und drehte sich um. »Geld springt nicht dabei heraus, und Ihrem Ruf ist es auch nicht dienlich, wenn Ihr Mandant zu zwanzig Jahren verurteilt wird. Und die bekommt er so oder so.«
North fragte sich, ob er noch eine Frage nachschieben sollte. Seine Unschlüssigkeit währte allerdings nicht lange, denn ihre Antwort interessierte ihn wirklich. »Sie kennen seine Akte und wissen, was er getan hat. Warum hat eine Frau Interesse daran, so einem Typ zu helfen?«
Ihr Lächeln verriet eine kalte, berechnende Intelligenz, und North kannte die Antwort schon, bevor sie den Mund aufmachte. »Seien Sie nicht so naiv, Mr North. Dieser Prozess wird bis zur Urteilsverkündung Schlagzeilen
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