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Der Amerikaner - The American

Der Amerikaner - The American

Titel: Der Amerikaner - The American Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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geschlungen. »Wer war das?«
    Er antwortete nicht sofort, und das sagte alles.
    »Ah, ich hab’s kapiert.« Ihre Miene verdüsterte sich. »Es war Naomi, stimmt’s?«
    »Ja. Hör zu, Katie, ich muss morgen früh raus. Wenn du aufwachst, bin ich wahrscheinlich schon nicht mehr hier.«
    »Warum?«, fragte sie mit einem verstörten Blick. »Wohin fährst du?«
    »Nur nach Langley. Trotzdem, es wird ein langer Tag. Vielleicht werde ich es nicht schaffen, morgen Abend wieder hier zu sein.« Er legte das Handy auf den Nachttisch und wollte sie küssen, aber sie wandte sich ab. »Was stimmt denn nicht?«
    »Gar nichts«, antwortete sie. »Mir geht’s gut, wirklich.« Da sie ihm den Rücken zukehrte, konnte er ihr Gesicht nicht sehen und nicht erkennen, wie hart sie seine Worte getroffen hatten. Vielleicht werde ich es nicht schaffen, morgen Abend wieder hier zu sein.
    Die Missverständlichkeit dieser Formulierung erinnerte ihn an die Angst, mit der sie die letzten paar Wochen gelebt hatte. Es musste schon zu Anfang schwer genug gewesen sein, damit fertig zu werden, aber jetzt, wo sie verlobt waren, hatte sie so viel mehr zu verlieren, weil damit die Möglichkeit einer Familiengründung und eines ständigen Zusammenlebens in greifbare Nähe gerückt war.
    Einerseits wollte sie ihm ihre Gefühle mitteilen, andererseits keine Last für ihn sein. Was immer er tat, sie ahnte, dass sein Job sehr viel gefährlicher war, als er zugab, und wenn sie ihn nicht mit ihren eigenen Sorgen behelligte, würde er in riskanten Situationen einen klareren Kopf haben.

    Er war verwirrt durch ihren plötzlichen Stimmungsumschwung und nahm automatisch an, er habe etwas mit Kharmai zu tun. Guter Gott, wie oft müssen wir das Thema noch durchnehmen, dachte er. Als ihm klar wurde, dass sie lieber allein sein wollte, öffnete er die Tür und trat auf den Balkon hinaus, in die Kälte, nur mit seinen Boxershorts bekleidet. Der Blick auf den Lafayette Square und die St. John’s Cathedral war spektakulär, das Licht der Straßenlaternen fiel auf frisch gefallenen Puderschnee.
    Trotzdem konnte er die Aussicht im Moment nicht genießen. Stattdessen musste er an etwas denken, das vor mehr als fünf Monaten passiert war.
    Damals hatten sie sich gerade erst kennen gelernt und genossen die Erfahrung einer neuen und aufregenden Beziehung. Sie waren zu verliebt, um beim jeweils anderen irgendeine Unzulänglichkeit zu entdecken. Obwohl sie weiter eine kleine Wohnung in Orono hatte, übernachtete Katie meistens in seinem Haus auf Cape Elizabeth. Eines Abends hatte sie eine Freundin mitgebracht, »auf einen Drink, und um einen Film anzuschauen«, wie sie mit einem schelmischen Lächeln sagte. Offenbar ging es in erster Linie um die Drinks, denn nach mindestens vier Margaritas hatte ihre beste Freundin aus Orono einige sehr zweideutige Bemerkungen über Katies neuen Partner gemacht, obwohl der in der Nähe stand und alles mitbekam.
    Katie hatte versucht, die Andeutungen zu ignorieren, doch nach dem Abschied der Freundin wurde klar, dass sie immer noch aufgebracht war. Als er sie fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei, hatte sie sich geweigert, darüber zu reden. Schließlich, nachdem er sie durch sanften Zwang so weit gebracht hatte, gestand sie unter Tränen, sie könne in seinen Augen nicht mit dieser Freundin konkurrieren.

    Durch diesen Vorfall wurde ihm klar, was er am meisten an ihr liebte - sie wusste einfach nicht, wie wunderschön sie war. Die Freundin, obwohl bemerkenswert attraktiv, schnitt bei diesem Vergleich schlecht ab. Ein großer Teil von Katies Charme beruhte auf ihrem völligen Desinteresse an ihrer äußeren Erscheinung. Er hatte sie keine fünf Mal länger als nur ein paar Sekunden in den Spiegel schauen sehen. Am bemerkenswertesten an ihrer Bescheidenheit war, dass sie sie überhaupt nicht nötig gehabt hätte. Sie war eine Göttin im wahrsten Sinne des Wortes, aber man konnte es ihr noch so oft sagen … Sie zog nur eine Grimasse und sagte, er solle aufhören, sie zu hänseln.
    Er liebte sie von Kopf bis Fuß, von ihren schlanken Zehen bis zu dem braunen Haar mit dem goldenen Schimmer, den die Sonne hervorbrachte, die man in Maine so selten sah. Das Gefühl ihrer Lippen auf seinen, die Art und Weise, wie sie errötet war, als er ein Heft mit von ihr geschriebenen Gedichten gefunden und aufrichtig versichert hatte, sie seien »wirklich gut« … Sie hatte ihn nur skeptisch angeschaut und gefragt: »Im Ernst?«
    Doch am meisten faszinierten

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