Der Amerikaner - The American
»Dieser Unsinn, den Sie Andrews da eben erzählt haben … Daran glauben Sie doch wohl selbst nicht, oder?«
»Nein. Immerhin halte ich es aber für denkbar , dass Shakib noch etwas anderes verraten hat als nur die Route von Senator Levys Konvoi. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Andrews hat den Posten noch nicht lange, also glaubt er vielleicht noch an so eine Geschichte. Trotzdem hätte er mir nie weiter zugehört, wenn ich außer Grays letzten Worten nichts zu bieten gehabt hätte. So kann er den Secret Service beschuldigen, seine Informationen nicht gut genug geschützt zu haben, und wir haben, was wir wollen - volle Unterstützung bei der Jagd auf Vanderveen. Leider müssen wir das Ganze jetzt dem Präsidenten verkaufen.« Kealey lächelte. »Das könnte etwas schwieriger werden.«
Harper schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich habe ja schon immer gesagt, dass Sie hier in Langley Karriere machen könnten. Sie sind der talentierteste Schwindler, den ich kenne.«
Kealey grinste. »Keine Sorge, John, ich bin nicht auf Ihren Job scharf. Für diese ständige Arschkriecherei würde mir die Geduld fehlen.«
Harper lachte. »Nur meine Arschkriecherei bewahrt Sie vor dem Knast, wenn Sie sich solche Kapriolen wie mit Elgin leisten.«
»Wo Sie gerade von ihm reden … Ich glaube, Elgin weiß mehr, als er sagt. Ich möchte hier wieder mit Adrian North zusammenarbeiten, dem Mann von der DEA. Er hat die Nerven bewahrt, als es darauf ankam. Mein Problem besteht darin, Zugang zu Elgin zu bekommen. Können Sie das arrangieren?«
Harper nickte bedächtig. »Leicht ist das nicht, aber ich schaffe es schon. Am schwierigsten wird es werden, die Medien au ßen vor zu halten. Meines Wissens sitzt er in Alexandria. Aber werden Sie nicht wieder handgreiflich, Ryan. Das hätten Sie sich schon beim ersten Mal sparen sollen.«
»Keine Sorge.«
Sie traten aus der Eingangshalle in die kühle Luft hinaus. Am Fuße der langen Treppe sah Kealey einen dunkelblauen BMW warten. Daneben stand Katie, leicht zitternd in ihrem kurzen schwarzen Kleid. Sie sah atemberaubend aus mit dem dezenten Make-up und den mit einem Diamanten besetzten Ohrringen. Sie hatte ihr Haar aufgesteckt, und ein paar goldbraune Locken fielen ihr ins Gesicht. Sie lächelte ihn an, und Kealeys Herz wäre fast stehen geblieben.
Er wandte sich Harper zu, der ein gerissenes Grinsen aufgesetzt hatte. »Danke, John, ich bin Ihnen einen Gefallen schuldig.« Er klopfte dem stellvertretenden Direktor auf die Schulter.
»Unternehmen Sie was Schönes mit ihr, sie hat’s verdient. Wir sehen uns morgen.«
Kealey stürmte die Treppe hinunter, schlang die Arme um Katie und gab ihr einen langen Kuss. Das ungleiche Paar ließ Harper lächeln. Kealey mit ungekämmtem Haar, einem alten Pullover und schweren Stiefeln, Katie in einem Outfit, das so wirkte,
als wäre sie darin gerade über einen Laufsteg in Mailand spaziert.
Harper dachte an Julie, und sein Lächeln wurde breiter. Während er zu seinem auf dem Parkplatz stehenden Wagen ging, kam ihm die Idee, seine Frau an diesem Abend ebenfalls einzuladen. Das Leben war zu kurz, um auf solche Vergnügen zu verzichten.
22
Ashland, Virginia • Washington, D. C.
Nicole Milbery arbeitete seit sechzehn Jahren als Grundstücksund Immobilienmaklerin und hatte nie daran gedacht, den Beruf zu wechseln. Mit ihren siebenunddreißig Jahren war sie eine schlanke, mittelgroße, allseits geschätzte und respektierte Frau. Ihr schulterlanges blondes Haar war nach der letzten Mode frisiert, und ihre sanften, rehbraunen Augen ließen die verbissene Zielstrebigkeit und Intelligenz vergessen, die für ihr Wesen charakteristisch und der Grund für ihren beträchtlichen beruflichen Erfolg waren. Sie war alleinige Inhaberin des Maklerbüros Milbery Realty, das im nördlichen Virginia tätig war und sich in erster Linie auf gut betuchte Kunden spezialisierte.
Der Besucher, der ihr jetzt gegenübersaß, fiel nicht in diese Kategorie. Er war auf der Suche nach einem eher bescheidenen Haus mit einem höchstens hundertzwanzig Morgen großen Grundstück. Darüber hinaus wollte er nicht kaufen, sondern nur mieten. Doch obwohl sie finanziell von dem Geschäft kaum profitieren würde, hatte sie kein Interesse daran, die Verhandlungen künstlich zu beschleunigen. Der Mann war äußerst attraktiv - dunkelbraunes, in die Stirn fallendes Haar mit einem goldenen Schimmer, erstaunliche grüne Augen, wie sie sie bisher nie gesehen hatte, volle Lippen, lange gerade
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