Der amerikanische Investor (German Edition)
nicht. Und wenn er dann, spät am Abend, im Sessel zusammengesunken, klagte, dass er diese Spannung nicht mehr ertrage, dass ihn diese ganze Wohnungsfrage vollständig lähme und dass ihm jede Lösung, Hauptsache, sie erfolge so schnell wie möglich, recht sei, dann sagte sie, dass ihr das bestimmt genauso wenig Spaß mache wie ihm, aber dass sie da jetzt durchmüssten. In seinem Zimmer stand er dann, nachdem sie sich getrennt hatten, um sich in ihre jeweiligen Betten zu legen, meist noch lange vor seiner Matratze und fragte sich, ob seine Frau überhaupt eine Ahnung davon hatte, was derzeit in ihm vorging. Am Morgen verließ sie das Haus und kam erst spät am Abend zurück. Manchmal war ihm fast, als würde sie ihn mit allem hier alleinlassen. Mit den Kindern, dem Hund, dem Telefon, dem pensionierten Hausmeister, dem vorherigen Hausmeister, der erst vor kurzem entlassen worden war, und dem neuen Hausmeister, der von nichts wusste oder nichts sagen durfte. Wenn er den neuen Hausmeister fragte, wann die Bauarbeiten in ihrem Seitentrakt beginnen würden, zuckte der nur mit der Schulter, nicht einmal, ob denn Bauarbeiten geplant waren, bekam er aus ihm heraus. Auch seinen beiden Vorgängern, die, anders als er, beide in einem der Gebäude lebten und mit denen sich der neue Hausmeister oft, in fachlichem Gespräch, auf dem Bürgersteig zusammenfand, erzählte er anscheinend nichts, denn sowohl der pensionierte Hausmeister wie auch der vorherige Hausmeister hätten es doch sofort an ihn weitergegeben.
Mit einem stillen Seufzer wandte er seinen Blick wieder zum Fenster hinaus. Gerade mit dem vorherigen Hausmeister verstand er sich doch sehr gut, und seine Kündigung, die, nur wenige Monate nachdem sie alle erfahren hatten, dass der gesamte Gebäudekomplex an einen amerikanischen Investor verkauft worden war, gleichzeitig mit der Einsetzung der neuen Hausverwaltung erfolgte, hatte ihn fast ebenso kalt erwischt wie den vorherigen Hausmeister selbst. Das ganze Haus, hatte er dem vorherigen Hausmeister lauthals versprochen, als dieser ihm am Fahrradständer von seiner Kündigung erzählte, werde entschieden gegen diese Kündigung protestieren. Das allerdings war nie geschehen. Eigentlich war gar nichts geschehen. Rein äußerlich betrachtet schien es auch, als hätte sich für den vorherigen Hausmeister seit der Kündigung gar nicht so viel verändert. Noch immer traf man ihn den ganzen Tag über irgendwo auf den Höfen oder auf dem Bürgersteig vor den Häusern an. Er trug auch noch die gleiche Kleidung und inspizierte mit seinem Blick jede Tür, jede Tonne und jede Stufe. Dennoch merkte er, dass er sich jetzt immer einen Ruck geben musste, bevor er auf ein kleines Gespräch an den vorherigen Hausmeister herantrat, denn der wirkte meist ein wenig abwesend. Mitten im Gespräch sah er zu einem der Gebäude hinauf und schüttelte den Kopf. Dann sagte er Sätze wie: »Die Zeit ist vorbei«, oder: »Was soll hier nur werden«, oder, an ihn gewandt: »Sie sollten sich auch darauf einstellen, sich etwas Neues zu suchen. Das ist kein Ort mehr für Menschen wie Sie und mich.« Wenn sie sich dann verabschiedeten, der vorherige Hausmeister seinen Weg wiederaufnahm und er die Treppen zu seiner Wohnung hinaufstieg, dann war ihm, als wollten die Stufen gar nicht enden, als könnte er steigen und steigen und käme trotzdem nie an, als sei auch er jeglicher Zukunft beraubt.
Er schüttelte den Kopf. Es tat ihm nicht gut, wenn er zu viel mit dem vorherigen Hausmeister sprach. Allerdings war er es auch gewesen, der ihm vor einer Woche von der Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau im ebenfalls zum Komplex gehörenden Nachbarhaus erzählt hatte.
Er sah wieder zum Fenster hinaus. An diesem Tag stand, als er am Morgen aus der Tür hinaustrat, wie so oft der vorherige Hausmeister im Gespräch mit dem pensionierten Hausmeister vor dem Haus auf dem Bürgersteig, und natürlich lief auch an diesem Tag sein Hund schnurstracks auf den schon recht betagten Hund des pensionierten Hausmeisters zu, den dieser immer an der Leine hielt. Zuerst hatte er versucht, seinen Hund zurückzurufen, aber weil er ihm nicht gehorchte, gesellte er sich zu den beiden, und während er auf die Hunde hinabsah, die sich umeinander im Kreis drehten, hörte er zu, wie der pensionierte und der vorherige Hausmeister sich über den Eigentümer- und Verwaltungswechsel vor nun einundzwanzig Jahren unterhielten.
Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Obwohl das nun eine
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