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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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sah auf seine Finger, die leicht zitterten. Allein, dass es diese Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau gab, half ihm durch die Tage und war ihm ein Trost. Ein anderes Interesse an dieser Wohnung hatte er doch nie geäußert. Wie aber sollte man das einem Menschen erklären, der darin schon die größte Arglist erblickte? Es war ja nun auch wirklich nicht so, dass er, seit der vorherige Hausmeister ihm von der Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau erzählt hatte, nun Tag und Nacht um das Nachbarhaus herumgeschlichen wäre, sondern er hatte einige Male beiläufig, wenn er zufällig am Nachbarhaus vorbeigekommen war, zu den Fenstern im ersten Stock hinaufgeschaut.
    Er verlagerte sein Gewicht von dem einen Fuß auf den anderen. Natürlich hatte es ihn bei seinen kleinen Erkundigungen in der letzten Woche auch ein paarmal auf den Hof des Nachbarhauses verschlagen, und dass er die sieben Namen, warum eigentlich sieben?, auf dem Klingelschild an der Eingangstür des Nachbarhauses bereits auswendig kannte, hatte ja gestern zum Glück gar nicht zur Debatte gestanden.
    Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, die ein wenig feucht war. Weshalb sollte er sich in diesen ungewissen Zeiten nicht für das Nachbarhaus interessieren? Im Gegensatz zu seiner Frau beharrte er eben nicht stur auf einem Standpunkt, sondern versuchte, etwas Spielerisches in die Situation zu bringen. Es war nur tatsächlich ein bisschen ungeschickt gewesen, wie er das Gespräch, als er gestern seiner Frau zum ersten Mal von der Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau erzählte, eingeleitet hatte. Er war schlicht zu müde gewesen, hatte den ganzen Tag bereits zu viel erlebt und war ja auch gerade erst von dem Hof des Nachbarhauses zurückgekehrt, wo er diese an ein Wunder grenzende Erscheinung gehabt hatte. Warum bloß war es ihm nicht gelungen, seiner Frau nur von dieser Erscheinung zu berichten? Die Kuppe seines kleinen Fingers würde er darum geben, das ganze gestrige Gespräch wieder rückgängig zu machen. Gleich jetzt würde er sie mit seinem Taschenmesser abtrennen und sie seiner Frau auf den Nachttisch legen. Von seiner ganzen Anlage her war der gestrige Abend schon völlig verkorkst gewesen. Allein dass auch noch die beste Freundin seiner Frau zu Besuch kommen musste, war schon der denkbar schlechteste Einstieg in den Abend gewesen. Wir sitzen dann im Wohnzimmer, hatte seine Frau auf ihre energische Art und Weise gesagt, du kannst ja in dein Arbeitszimmer gehen. Er hatte aber überhaupt keine Lust gehabt, in sein Arbeitszimmer zu gehen. Am liebsten hätte er sich einfach zu ihnen gesetzt. Aber die beste Freundin seiner Frau war durch seine Anwesenheit immer ein wenig eingeschüchtert. Zudem sprach sie so langsam, dass er nie umhinkonnte, ihr mit den Worten vorauszueilen. Ins Arbeitszimmer jedoch hatte er auch nicht mehr gekonnt. So schrecklich war der gestrige Arbeitstag wieder gewesen, dass ihm, sobald er sich seinem Tisch nur näherte, schon war, als würde er aus seinem Notizbuch heraus mit Kot beworfen. Also hatte er sich noch kurz neben seine gerade einschlafende Tochter gelegt. Dann hatte er sich plötzlich erhoben, hatte den Hund zu sich gepfiffen und war hinunter auf die Straße gegangen. In einer nahen Kneipe hatte er sich auf einen Barhocker gesetzt und auf einen Bildschirm gestarrt, auf dem ein Handballspiel lief. Der Wirt, obwohl er doch diese Kneipe sonst immer mied, hatte ihn wie einen alten Bekannten mit einem festen Händedruck begrüßt und dann auch gleich ein Bier vor ihn hingestellt, das aber höchstens halb voll gewesen sein konnte, denn kaum, dass er einen Schluck genommen hatte, dümpelte die gesamte Schaumkrone auch schon am Grund des Glases vor sich hin. Als der Mensch, der hinter ihm saß, ihm innerhalb kürzester Zeit nun bereits das dritte Mal auf die Schulter getippt hatte, er möge doch noch ein Stückchen rücken, er könne nämlich noch immer nichts sehen, hatte er sich schweigend erhoben und sich mit seinem zweiten Bier nach draußen vor die Tür gesetzt. Dort hatte er noch drei Bier getrunken, die auch nicht gut gezapft waren, und als er dann zum Zahlen an den Tresen trat, lief das Spiel noch immer. Es ist vielleicht doch noch ein wenig früh, um bereits wieder zu Hause zu erscheinen, hatte er gedacht, nachdem er die Kneipe verlassen hatte, und war deshalb mit größter Langsamkeit noch einmal mit dem Hund um den Block herumgeschlendert. Vor dem Haus, in dem die fast hundert Jahre alte Frau lebte, hatte

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