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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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Woche her war, drang erst jetzt in sein Bewusstsein vor, was er da gehört hatte, das nämlich der gesamte Gebäudekomplex vor nun einundzwanzig Jahren bereits schon einmal Eigentümer und Verwaltung gewechselt hatte. Vielleicht gab er alldem zu viel Bedeutung. Vielleicht würde auch dieser neue Wechsel kaum Spuren hinterlassen. Vielleicht bauschte er das alles nur auf, redete mit den falschen Menschen über die falschen Dinge.
    Er sah auf seine Hände. Allerdings hatte die vorherige Hausverwaltung den vorvorherigen Hausmeister nicht in die Wüste geschickt, sondern hatte ihn, weil seine Zeit gekommen war, in Würde in Rente gehen lassen. Darin lag vermutlich auch der Grund, warum der pensionierte Hausmeister stets gute Laune auf dem Bürgersteig verbreitete und sein sonniges Gemüt freigiebig allen Gesichtern, die er erkannte, entgegenstrahlen ließ. Den ganzen Tag lief er mit seinem Hund, als klaffte davor und dahinter ein unüberwindlicher Abgrund, das Stück des Bürgersteiges auf und ab, an dem die drei Vorderhäuser des Gebäudekomplexes standen. Es war kaum möglich, ihm nicht zu begegnen. Sogar den vorherigen Hausmeister hatte er vor einer Woche mit seinem Gespräch derart belebt, dass er ihm bereitwillig und ohne zu klagen oder dabei ins Grübeln zu geraten von der Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau erzählte. Die an diesem Tag etwas hellere Stimmung des vorherigen Hausmeisters nutzend, hatte er ihn nämlich gefragt, ob es nicht in einem der Vorderhäuser zufällig gerade eine leer stehende Wohnung gebe, die für sie in Betracht komme. Sein Hintergedanke dabei war, falls tatsächlich eine solche Wohnung gerade frei stünde, der Hausverwaltung anzubieten, auch wenn diese Wohnung vielleicht ein bis eineinhalb Zimmer weniger als ihre jetzige haben würde, trotzdem zu tauschen, vorausgesetzt natürlich, die Verwaltung würde ihnen dafür mit der Miete ein gutes Stück entgegenkommen. Dann konnte die Hausverwaltung ihre jetzige Wohnung, die wahrscheinlich die schönste Perle im ganzen Gebäudekomplex war, luxussanieren, wie sie nur wollte, und er hätte endlich wieder seine Ruhe. Seine Frau, mit der er diesen Plan schon mehrfach erörtert hatte, hielt von ihm naturgemäß nichts. Dennoch war er weit davon entfernt, ihn wieder zu verwerfen. Auch die Auskunft des vorherigen Hausmeisters hatte ihn nicht gerade entmutigt. Außer einer Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im ersten Stock des Nachbargebäudes, in der eine fast hundert Jahre alte Frau lebte, hatte er gesagt, gebe es in den Vorderhäusern keine Wohnung, die größer als zweieinhalb Zimmer sei. Natürlich könnten sie über kurz oder lang seine Wohnung haben. Er könne sich die Miete schon jetzt nicht mehr leisten. Aber die habe nur zwei Zimmer und es sei ja ein Unterschied, ob man, wie er, allein sei oder wie sie zu viert. Ob er denn der fast hundert Jahre alten Frau manchmal begegne, hatte er den vorherigen Hausmeister gefragt. Hin und wieder könne man sie schon am Fenster sehen, hatte der vorherige Hausmeister geantwortet. Aber jetzt bei diesen Temperaturen sei es ihr wahrscheinlich viel zu heiß. Das sei ja ohnehin kein Wetter, das derart alte Menschen gut vertrügen.
    Er sah zur Tür und sein Herz schlug schneller. Mit der Hand umfasste er den Wohnungsschlüssel in seiner Hosentasche. Vielleicht sollte er noch mal auf einen Sprung hinuntergehen und gucken, ob er die fast hundert Jahre alte Frau jetzt am Fenster erblickte. Aber welche Bedeutung hätte das? Welche Bedeutung hätte es, falls er sie entdeckte, und welche Bedeutung hätte es, falls er sie, wie in der ganzen letzten Woche, wieder nicht entdeckte? Er war doch weit davon entfernt, daraus irgendeine Schlussfolgerung zu ziehen. Ebenso wenig Bedeutung hatte deshalb auch die Tatsache, dass er gestern, am späten Abend, weder zur Straße noch zum Hof hin in der Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau Licht hatte brennen sehen, und selbst wenn er heute wieder kein Licht brennen sehen würde, nicht die kleinste Mutmaßung würde seinem Mund entweichen. So unglücklich war der gestrige Abend verlaufen und so trübe war der Schatten, der sich plötzlich, wie aus heiterem Himmel, auf ihn herabgesenkt hatte, dass er das Gespräch nie wieder auf die Wohnung der fast hundert Jahre alten Frau lenken würde und schon gar nicht gleich heute. Heute würde seine Frau ihn doch nur erneut missverstehen. Wahrscheinlich würde sie ihn sogar vorsätzlich missverstehen.
    Er zog seine Hand aus der Hosentasche und

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