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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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sein Herz so zu rühren, dass er sich jetzt schon wieder aufseufzen hörte, ein Seufzen, das den ganzen Tag, all die letzten Wochen mit all ihren erfolgreichen Geschäften wie Staub mit einem feuchten Lappen von ihm nahm und ihn an die Kindheit gemahnte, den Baum, den Vater, das Fenster, das altmodische Telefon, das große Glück, das er sich damals als Leben erträumt hatte.
    Er drehte sich vom Fenster weg und sah zu seinem Notizbuch hin. An einem guten Tag würde er kaum eine Stunde für einen solchen Brief brauchen.
    Er winkte ab. Das war schon viel zu viel. Eine halbe Stunde würde reichen, vielleicht auch nur ein paar Minuten. Es genügten ein paar Zeilen, ein paar traumwandlerische Sätze, die den amerikanischen Investor sogleich in den Augenblick ihrer Entstehung mit einluden. Danach würde er sofort beim Verlag anrufen und mit der belegten Stimme, die er immer hatte, wenn er sich von seiner eigenen Leistung noch überrumpelt und betäubt fühlte, fragen, ob ihm dort nicht jemand bei der Übersetzung eines winzigen Textes ins Englische oder besser noch ins amerikanische Englisch behilflich sein könnte.
    Wieder schaute er auf die Uhr. Er hatte noch Zeit. Bis die Kinder kamen, war das noch locker zu bewerkstelligen. Auch als Tagwerk würde dieser Brief völlig ausreichen. Schon in der Anrede müsste er versuchen, den Bogen zu schlagen.
    Er machte eine Bewegung auf seinen Schreibtisch zu, aber kaum in der Luft, kehrte sein Fuß zu ihm zurück, und er schüttelte den Kopf. Heute war kein guter Tag. Nur das Vorhaben war gut. Gerade deshalb durfte er es nicht unnötig überanstrengen. An einem Tag wie heute würden sich doch seine Sätze nur schmutzig durch das Notizbuch ziehen und es könnten Wochen, nein Monate vergehen, bis das Vorhaben und er sich von dieser Erschütterung wieder erholt hätten. Wie Schmieröl würde die Kläglichkeit dieses ersten Versuches an ihm haften und deshalb galt es jetzt, geduldig auf einen guten Moment zu warten, den Brief zu beginnen.
    Er hob den Blick zur Decke hinauf. Aber war das dieser Brief wert? War es dieser Brief wert, dass er sich von nun ab vielleicht über lange Monate mit nichts anderem mehr beschäftigen würde, und warum war er nicht viel früher auf die Idee gekommen, dem amerikanischen Investor einen Brief zu schreiben? Das war doch ganz naheliegend. Was konnte denn den amerikanischen Investor mehr interessieren als die Menschen, die in seinen Häusern wohnten? Durch diese Menschen, ihre Tagesabläufe, ihre Kochgewohnheiten, ihre Kinder, ihre Schlaf- und Wohnzimmer begannen doch diese Häuser erst zu leben. Die Nachbarn grüßen freundlich auf der Straße und gemeinsam schaut man kurz zum Himmel hinauf, ob man nicht gerade zufälligerweise das Flugzeug des fürsorglichen Hauseigentümers sichten kann.
    Er senkte den Blick wieder in Richtung seines Notizbuches hinab. Es würde bestimmt nicht leicht werden, dem amerikanischen Investor diesen Brief zu schreiben. Dennoch war die Idee richtig. Es war, seit sie diese Schwierigkeiten mit der Wohnung hatten, vermutlich die erste Idee, die ihn, über einen Zeitraum, der jetzt doch wohl schon längst die Fünfminutenmarke überschritten hatte, sinnvoll erschien. Gleich heute Abend würde er seiner Frau, wenn sie von der Arbeit kam, von dem Vorhaben berichten. Sie durchdrang die Dinge manchmal auf eine ganz andere und erhellende Art, die nicht selten in ihm einen sofortigen Impuls auslöste. Er konnte dann den Brief auch heute Abend noch schreiben. Zum Beispiel bei einem Glas Wein.
    Er atmete tief durch. Hatten sie überhaupt noch Wein? Das musste er gleich mal nachprüfen. Falls nicht, konnte er aber auch mit seiner Frau, wenn die Kinder schliefen und er den Brief beendet hatte, noch ein bisschen zum Feiern vor die Tür treten. Sie mussten sich sowieso mal wieder über etwas anderes als diese blöde Wohnungsgeschichte unterhalten. Das führte zwangsläufig zum Streit. Wahrscheinlich würde seine Frau auch sein Vorhaben, dem amerikanischen Investor einen Brief zu schreiben, in Bausch und Bogen verwerfen. In all diesen Wohnungsfragen waren sie doch komplett unterschiedlicher Meinung. Wenn er sagte, sie müssten sich vielleicht auch überlegen, wie sie der Hausverwaltung entgegenkommen könnten, sagte sie, genau das müssten sie nicht. Oder wenn er sagte, dass er sich ebenso gut vorstellen könne, in Mannheim oder Offenbach zu leben oder auch Entwicklungshilfe in Afrika zu leisten, dann sagte sie, darum gehe es jetzt doch gar

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