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Der Andere

Der Andere

Titel: Der Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian DeLeeuw
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Zementboden wieder. Luke kam nach, knipste seine Taschenlampe an und wies Richard an, das Einstiegsloch über sich wieder zuzuziehen. Mit einem dumpfen Klang rutschte die Scheibe in ihre Fassung zurück und blendete das letzte Stück Himmel aus.
    Richard holte seine eigene Taschenlampe hervor und ließ den Lichtkegel durch den Raum wandern. Viel konnten wir nicht sehen, wobei es auch nicht viel zu sehen gab. Die Dunkelheit wich und legte helle Flecken von Beton und Rohren frei, die an einem Abschnitt der niedrigen Decke entlangliefen. Die Hitze war mörderisch, trocken und stickig. Ringsum war es still, bis auf unseren Atem und den Klang des Dampfes, der die Rohre durchströmte, ein leise zischendes Seufzen, das schwere Einatmen eines asthmatischen Ungeheuers. Etwas Trauriges schwang in dem Geräusch mit. Mit dem Strahl seiner Taschenlampe leuchtete Richard in Lukes Gesicht. »So, nun sind wir hier unten. Was machen wir jetzt?«
    Luke sah mich an und bedeutete mir, dass ich vorausgehen sollte. Die niedrige Decke zwang die beiden, sich affenähnlich fortzubewegen. Der Schein ihrer Taschenlampen tänzelte über den üblichen Unrat verlassener Orte hinweg, denselben Müll, den wir in der Anstalt gefunden hatten: ausgeblichene Bierdosen, Glasscherben, Plastikverpackungen. Frühere Besucher hatten Sprüche in die Wände geritzt:
Ted liebt Samantha. Scheiß auf die Wirtschaftswissenschaft. Wir waren zuerst hier.
Alle paar Minuten enthüllten die Taschenlampen einen senkrechten Schacht, der zu einem Einstiegsloch führte, und jedes Mal log Luke: »Versiegelt. Der einzige Weg hinaus ist der, auf dem wir gekommen sind.« Eine Staubschicht hatte sich auf Lukes Klamotten und sein Gesicht gelegt, klebte an den feuchten Stellen um seine Augen und am Mund. Ich stellte mir vor, dass er ganz still dastünde, bis der Staub jeden Zentimeter seines Körpers bedeckte, und dass er dann hinaussteigen und eine Hülle seiner Körperform zurücklassen würde. Der Tunnel knickte plötzlich ab, und ich hob meine Hand.
    Richard drängelte sich an uns vorbei und leuchtete mit dem Schein seiner Lampe um die Ecke. Der Gang fiel ab, aber es ließ sich nur schwer sagen, wie weit. Die Taschenlampe beleuchtete ein dichtes Netz von Kupferrohren, die den engen Raum verstopften, und es schien nur einen kleinen Spalt zu geben, durch den wir uns hinablassen mussten. Ich griff nach einem der Rohre und ließ mich lässig in das Gewirr hinab. Ich wusste, dass die Rohre heiß genug waren, um Brandblasen auf der Haut zu erzeugen, spürte aber keinen Schmerz. Auch die stickige, undurchdringliche Luft war eine Tatsache, die ich zur Kenntnis nahm, die mir aber nichts ausmachte. Ich war es gewohnt, mich frei durch die physikalische Welt und an ihren unbequemen Hindernissen vorbeizubewegen, stellte nun aber fest, dass diese Freiheit illusorisch war.
    Ich stand unter den Rohren und sah zu Luke und Richard hinauf, zwei Schatten hinter dem blendenden Schein ihrer Taschenlampen. Ich beobachtete Lukes Silhouette, während er ein Handtuch aus seinem Rucksack zog und es um das dickste Rohr wickelte. Er prüfte die Stärke eines Rohrs unter ihm und tippte es vorsichtig mit dem Fuß an, bevor er sich mit seinem ganzen Gewicht daraufstellte. Von seinem Gesicht abgesehen, war jeder Zentimeter seiner Haut bedeckt, aber selbst durch die Kleidung hindurch konnte er sich verbrennen. Ich sah zu, wie er sich behutsam um das heiße Metall herumwand, seinen Körper mit großer Vorsicht einsetzte. Nachdem Luke hindurch war, folgte Richard seinem Kumpel, trat auf die Stellen, die auch er betreten hatte, und griff dorthin, wohin auch er gegriffen hatte. Die ganze Akrobatik vollzog sich in schummrigem Licht, wie Fundstücke, die man auf dem Grund eines trüben Teichs entdeckt.
    Wir gingen weiter, und die Taschenlampen zeichneten das gefleckte Bild eines großen Raumes, von dem drei röhrenartige Gänge abgingen. Ich sah Wellblech und Rohrschellen, an jeder Röhre waren in regelmäßigen Abständen Glühbirnen in Kunststoffkörben angebracht, nicht eine funktionierte. In dem Raum, in dem wir uns jetzt befanden, erblickten wir ein paar entsorgte Generatoren, übereinandergestapelte Klimaanlagen, einen Haufen abgelegter Computer. »Hier also scheiden die Dinge dahin«, stellte Richard fest.
    Der nächste Tunnel zwang Luke und Richard noch tiefer in die Hocke, so dass sie sich nur noch in ihrer halben Größe vorwärtsbewegten. Hatten sie vorher an Affen erinnert, so waren sie jetzt noch

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