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Der Andere

Der Andere

Titel: Der Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian DeLeeuw
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»Colleges sind vermutlich alle gleich.« In unserem Zimmer zeigte sie uns Fotos von James junior. Er war inzwischen fast vier Jahre alt. Mit einer Wasserpistole in der Hand stand er vor irgendeinem Pool und blinzelte in die Kamera wie ein Gangster. Er sah aus, als sei er beleidigt, als hätte der Fotograf zu viel von ihm verlangt. »Er ist ein verzogener Fratz«, sagte Cassie. »James verwöhnt ihn nach Strich und Faden.« Sie betrachtete die Fotos, die über Lukes Schreibtisch hingen, und tippte auf eines, das Hannahs nackten Torso zeigte, rückwärts über eine Couch gelehnt. Der Kopf war vom Rahmen abgeschnitten. Ich wollte ihr erklären, dass ich das Foto gemacht hatte und Luke erst am Tag zuvor überredet hatte, es zu entwickeln.
    »Ganz die zwanziger Jahre. Man Ray, Brassaï. Wer hat Modell gestanden?«
    »Ich weiß nicht, wie sie heißt«, sagte Luke.
    »Ich weiß, dass du lügst, aber ich werde ihre Privatsphäre respektieren.«
    Unangenehm berührt, reichte Luke Cassie den Rave-Flyer. »Ich dachte, wir könnten heute Abend dort hingehen.«
    »Wow. Wie dumm, dass ich meine Leuchtstäbe im Schließfach in der Highschool vergessen habe.«
    Luke sah sie schweigend an.
    »Tut mir leid«, fuhr sie fort, »war ein schlechter Scherz. Ja, klar können wir da hingehen.« Sie kniff ihm in die Wangen. »Ich mache überall mit, wozu du Lust hast.« Sie sah sich in unserer trostlosen kleinen Bude um. »Wo soll ich eigentlich schlafen?«
     
    Das Zelt war an diesem Abend hinter dem Social Club aufgebaut, wo es sich wie eine gigantische schwarze Planierraupe über den Rasen erstreckte. Richard hatte eine Lederschachtel dabei, in der sich ein Plastikbeutel mit fünfzehn Ein-Gramm-Fläschchen Kokain und hundert blassgelbe, mit dem Mercedes-Stern gravierte Ecstasy-Pillen befanden. Er hatte den Beutel in unserem Zimmer geöffnet, und Luke hatte nur einen kurzen Moment lang gezögert, bevor er seine Hand aufhielt und sich zwei Pillen geben ließ. Cassie klatschte in die Hände und lachte. »Phantastisch!«, jubelte sie. »So sind die Kids von heute also drauf. Für mich bitte drei.« Die erste warf sie auf der Stelle noch im Schlafzimmer ein und zwinkerte Luke zu. »Claire muss davon nichts erfahren, klar?« Schon auf dem Weg zur Party schien sie sich mit Richard anzufreunden.
    Er berührte ihr Haar und rieb den dünnen Stoff ihres Pullis zwischen zwei Fingern. Seinen Akzent hatte er auf lupenreines Aristokratisch umgestellt, die Worte purzelten aus seinem Mund wie kichernde Porzellanpüppchen.
    Wir betraten das Zelt, sogen die animalische Luft ein. Es war stockdunkel. Außer einer Reihe UV -Lampen, die über unseren Köpfen hingen, und ein paar Stroboskopen, die wahllos hier und da aufgestellt waren und in zufälliger Abfolge aufblitzten, sahen wir nichts. Am Ende eines langen, sich drehenden Tunnels hing eine gigantische, scheinbar mit Glassplittern besetzte Discokugel vom höchsten Punkt des Zeltes herab. Darunter saß ein DJ, über zwei Plattenteller und ein Sammelsurium an Computern und verbeultem Elektronikequipment gebeugt. Ein Turm aus aufeinandergestapelten Lautsprechern dröhnte mit geradezu aberwitziger Lautstärke. Alle waren auf ihre Umrisse reduziert, frei umherlaufende Schatten, die sich drehten, verblassten und wieder zerfielen.
    Cassie beugte sich zu Luke hinüber und brüllte ihm ins Ohr. »Verrückt«, entfuhr es ihr. Auf ihrer anderen Seite glitt Richards Fingerspitze über den Halswirbel, der über den Rollkragen ihres Pullis hinausreichte. Er hauchte ihr etwas ins Ohr, brachte sie zum Lachen. Ich hätte ihm gern ins Gesicht geschlagen. Was nahm er sich eigentlich heraus? Die Musik dröhnte aus den Lautsprechern heraus, und Luke sah zu den UV -Lampen hinauf. Phosphorweiße Fusseln überzogen sein schwarzes Sweatshirt, und das Stroboskop ließ seine Augen feucht funkeln. »Nun?«, fragte ich. Er sah mich an. »Was?« »Die Pillen.« Er holte eine aus seiner Tasche und rollte sie zwischen den Fingern, bevor er sie ohne Wasser schluckte. »Warum nicht?«, willigte er ein. Neben uns standen Cassie und Richard, sie lachten, redeten schnell, berührten sich zaghaft, wie scheue Tiere. Sie versuchte, sich eine Zigarette zu drehen, wobei sich ihre Finger mit dem klammen Papier abmühten und die Tabakkrümel danebenfielen. Sie gab auf und griff nach Lukes Arm. »Ich habe kein gutes Gefühl dabei, wenn ich all das hier mitmache«, sagte sie, »aber du bist gut drauf. Du bist schon okay.« Er nickte, und ich hätte

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