Der Andere
dahinter nicht mehr zu sehen.
Hannah zog eine Flasche aus ihrer Gesäßtasche. »Nur weil King Richard nicht trinken will, muss das nicht heißen, dass wir es nicht können.« Sie nahm einen Schluck und reichte Luke die Flasche. Ohne zu zögern, nahm er sie und kippte den Whisky in sich hinein. Hannah lachte ein freudloses Lachen. »Nicht so stürmisch!«, sagte sie. »Wir haben noch die ganze Nacht vor uns.«
Der Mond hing groß und schwer hinter ihr. Ihr Gesicht war ein schwarzes Oval, in dem weiße Zähne aufblitzten, um ebenso schnell wieder zu verschwinden, wie sie erschienen waren. Luke nahm noch einen Schluck, bevor er Hannah die Flasche zurückgab. Er presste die Zähne zusammen, sein Puls ging wie wild und überall gleichzeitig. Hannah reichte über mich hinweg, um ihre Hand auf seine Hüfte zu legen. »Du zitterst«, stellte sie fest. »Das ist gut so.« Sie lehnte sich zurück, ein kleiner Körper gegen den Nachthimmel.
Luke deutete zur anderen Seite des Dachs. »Was machen die dort?«
»Was glaubst du?«
Er schüttelte den Kopf, spielte das Unschuldslamm. Er ließ seinen Blick über das Dach schweifen und dann weiter auf das Gelände. »Ich mag diesen Bau nicht. Was tun wir hier?«
»Macht er dir Angst?«
Er zögerte: »Nein. Es ist nur seltsam, sich hier aufzuhalten.«
»Verglichen womit?«
»Mit allen anderen Orten, an denen ich bisher gewesen bin, glaub ich.«
Sie zögerte und sagte dann: »Wenn du etwas richtig Unheimliches suchst, dann geh mal in die Versorgungsschächte.«
»Wohin?«
»Davon gibt es ein ganzes Netz unter dem Campus. Ein unterirdisches Labyrinth.«
»Bist du schon da unten gewesen?«
»Natürlich. Und du wirst irgendwann auch dort hingehen.«
»Woher willst du das wissen?«
Hannah zuckte die Achseln. »Warum solltest du nicht?« Sie sah zum anderen Ende des Dachs hinüber. »Was denkst du eigentlich wirklich über Richard?«
»Er ist charismatisch«, meinte Luke vorsichtig.
»Das stimmt. Aber würdest du sagen, er ist dein Freund?«
»Natürlich!«, sagte Luke schnell, zögerte aber dann. »Warum willst du das wissen?«
»Weil ich glaube, dass du Freunde brauchst. Du verdienst sie. Aber ich bin nicht sicher, ob er der Richtige für dich ist.«
»Ach ja?«
Sie ging darüber hinweg. »Willst du gar nicht wissen, was er über dich denkt?«
»Ich vermute, du wirst es mir sowieso erzählen.«
»Er findet dich faszinierend. Interessant. Aber das ist kein Zufall. Ich hatte ihm von dir erzählt, bevor du hierherkamst. Ich komme auch aus der Stadt. Ich hatte viele Freunde an deiner Highschool.«
Ihre Stimme war flach, ihren Gesichtsausdruck konnte ich nicht erkennen, konnte nicht sagen, ob sie log, und wenn sie es tat, verstand ich nicht, warum.
»Wen?«
»Das tut nichts zur Sache. Eine Menge Leute.«
»Was haben sie über mich erzählt?«
Was hätten sie erzählen können? Luke hatte stets Wert darauf gelegt, möglichst wenig von sich preiszugeben.
»Dass du seltsam warst. Dass du eine durchgeknallte Mutter hast. Dass es schien, als hättest du ein Geheimnis, das du lange für dich behalten hast. Ich fand das alles interessant. Ich wollte dich kennenlernen. Sie kannten dein Geheimnis nicht, aber ich glaube, ich kenne es.«
Hannah lächelte. Ein weißer Blitz in der Dunkelheit. Sie nahm noch einen Schluck aus der Flasche und legte sie Luke an die Lippen. Die andere Hand legte sie um seinen Kopf und schob ihn sanft zurück, wie eine Mutter, die ihrem kranken Kind die Medizin verabreicht. »Hier«, sagte sie. Sie nahm selbst noch einen Schluck, verschloss die Flasche und stellte sie zur Seite. Ich erhob mich am Rand der Decke auf die Knie. Luke beugte sich zu ihr, und sie fasste ihn an der Schulter und zog ihn zu sich. Ihr Mund traf auf seinen, und sie biss ihm in die Lippen. Ich stellte mich hin und sah auf die beiden hinab. Sie schob ihn auf den Rücken und spreizte seine Beine. Seine Hände reichten hinauf und tasteten nach ihrer Brust, aber sie drückte sie runter, zog sich dann den Pulli aus, das T-Shirt und den BH . Luke wollte sich aufsetzen, aber sie drückte ihn wieder hinunter. »Streng dich an«, forderte sie ihn auf. Er stemmte sich gegen den Druck ihrer Hände auf seiner Brust, bis ihre Ellbogen schließlich nachgaben und er ihr entgegenstürzte. Sie zog sein Sweatshirt aus und presste ihre Haut gegen seine. Ich flitzte um die Decke herum, besah mir die beiden aus allen Winkeln, ich war so unglaublich eifersüchtig. Sie schob ihn zurück und öffnete
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