Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
ausgesetzt sah. Es handelte sich um ein Verhör – das diesmal glücklicherweise nicht in Gewalt ausartete – im Zusammenhang mit einem Mord an einer Frau namens Janice Durbin. Das Verhör, dem sich Ro Curtlee freiwillig unterzog, endete mit der Erkenntnis, dass er ein hieb- und stichfestes Alibi für die Tatzeit am letzten Freitag hatte. Darüber hinaus räumte Kommissar Darrel Bracco, der das Verhör leitete, dieser Reporterin gegenüber ein, dass keinerlei Belastungsmaterial gegen Mr. Curtlee vor liege. Nun könnte man sich fragen, wie diese Repor terin es auch tat: »Wenn kein Belastungsmaterial vorliegt – nach welchen Kriterien entscheiden Sie dann, dass Ro Curtlee verhört wird? Und glauben Sie wirklich, dass diese Aktion nicht zwangsläufig als weitere Schikane interpretiert werden muss?«
Kommissar Bracco hatte darauf keine Antwort.
Die polizeilichen Ermittlungen kamen indes zu dem Ergebnis, dass Mrs. Durbin unzweifelhaft einem Mord zum Opfer fiel. Nachdem Ro Curtlee überzeugend dargelegt hatte, dass er als Täter nicht in Frage kommt, stellt sich die Frage, warum die Polizei trotzdem auf seiner möglichen Beteiligung beharrt. Sollte die Lösung des Rätsels nicht – wie in den meisten Fällen – viel näher vor Ort zu suchen sein? Eine beiläufige Nachfrage dieser Reporterin ergab, dass beispielsweise Michael Durbin, der Ehemann des Opfers, kein Alibi für die Tatzeit hat. Darüber hinaus gibt es Informationen aus seinem beruflichen Umfeld, die dieser Reporterin vorliegen, dass Mr. Durbin möglicherweise eine Affäre mit einer seiner Angestellten pflegt.
Hiermit soll – und darauf sei ausdrücklich hingewiesen – nicht der Eindruck erweckt werden, als sei Mr. Durbin tatsächlich in die Tat verstrickt. Es zeigt aber beispielhaft, in welche Richtung sich die Ermittlungen bewegen könnten, wenn sie nicht als persönlicher Kreuzzug gegen Ro Curtlee missbraucht würden.
»Du musst sie verklagen«, sagte Chuck Novio. »Sie und die Zeitung und die Curtlees persönlich. Das ist die übelste Verleumdung, von der ich je gehört habe.«
Es war kurz nach sieben am Morgen, Michael, Chuck und die drei Durbin-Kinder saßen alle am Esstisch. Kathy und ihre Zwillinge waren nebenan in der Küche und machten Rührei mit Speck und Toast. Chuck hatte sich freigenommen, und auch die Kinder waren von der Schule befreit, da für elf Uhr Janices Feuerbestattung angesetzt war. Peter, Durbins zweiter Sohn, war früh aufgestanden und hatte als Erster den Artikel gelesen – und war noch nicht mal bis zum letzten Satz gekommen, als er schon die Treppe hinauflief, um seinen Vater zu wecken.
»Aber sie schreibt nun mal, dass sie mich ausdrücklich nicht der Tat beschuldigt.«
»Das ist doch Blödsinn«, sagte Peter. »Sie behauptet, dass du es getan hast, Dad. Dass du Mutter umgebracht hast.«
»Du wirst dich doch wohl dagegen zur Wehr setzen, Daddy?«, fragte auch Jon. »Wenn du es nicht tust, gibst du doch automatisch zu, dass sie recht hat.« Der ältere Sohn lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und starrte trotzig ins Nichts.
»Ich muss Jon recht geben, Mike«, sagte Chuck. »Du musst sie verklagen.«
Allie, gerade dreizehn Jahre alt, war bislang stumm geblieben, konnte aber kaum die Tränen zurückhalten. Schließlich fasste sich sich ein Herz und fragte mit zit ternder Stimme: »Aber du hast es doch nicht getan, oder?«
Durbin streckte eine Hand über den Tisch und ergriff die Hand seiner Tochter. »Nein, Süße, natürlich nicht. Ich habe deine Mutter geliebt und vermisse sie sehr.«
»Ich auch. Ich vermisse sie so sehr«, sagte Allie und brach in Tränen aus.
Kathy, übernächtigt und selbst den Tränen nah, kam aus der Küche und nahm ihre Nichte in den Arm. »Niemand glaubt, dass dein Vater etwas getan hat. Du solltest daran keinen Gedanken verschwenden.«
»Marrenas glaubt es«, knurrte Jon. »Und inzwischen wahrscheinlich die halbe Stadt. Und deshalb muss Dad eine Gegendarstellung verlangen, ganz einfach.«
»Ich habe nicht vor, ihr den Gefallen zu tun. Dadurch würde ich mich auf ihr Niveau begeben, und das werde ich nicht tun.«
»Du musst es, Dad! Du musst es laut und deutlich sagen, dass du es nicht getan hast – falls du es nicht getan …«
Michael schlug mit der Hand auf den Tisch. »Natürlich habe ich es nicht getan, verdammt noch mal. Sind wir jetzt schon so weit gekommen?«
»Natürlich nicht«, warf Chuck ein. »Mach dich nicht lächerlich.«
»Dann streite es auch ab«, sagte
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