Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
einer gläsernen Fassade, hinter der sich die Beratungsstelle für Vergewaltigungsopfer befand. Er stieg aus und schlenderte an dem Haus vorbei. Eine schwere Parkbank stand neben dem Eingang, mit einer Kette gegen Diebstahl gesichert. Das Büro würde erst in einer halben Stunde öffnen, aber es brannte bereits Licht, und er konnte vereinzelte Bewegungen erkennen.
Die Fassade, dachte er, böte sich als Zielscheibe durchaus an. Er könnte heute Nacht wiederkommen und die ganze Glasfront in Scherben legen, aber er war nicht überzeugt, ob das die unmissverständliche Botschaft war, die er Farrell via Sam schicken sollte. Alle möglichen Leute könnten einen Groll gegen die Beratungsstelle oder das Personal hegen, und es wäre einfach nicht das eindeutige Signal, das sich Cliff Curtlee wünschte.
Eztli ging bis zum Ende des Blocks weiter und kehrte auf der anderen Straßenseite zurück, um sich mit der näheren Umgebung vertraut zu machen. Es waren fast ausnahmslos kleine Geschäfte, wie sie typisch für diesen Teil der Haight Street waren. Als er wieder am Auto war, schaute er auf die Uhr: In zwanzig Minuten würde die Beratungsstelle öffnen. Wo er schon mal hier war, konnte er auch so lange warten. Er könnte dann einfach reingehen, nach Sam Duncan fragen und ihr erklären, wie wichtig es sei, dass Wes Farrell nicht die Grand Jury bemühen würde. Er hatte schon oft genug festgestellt, dass seine bloße Präsenz Wunder vollbringen konnte.
Aber plötzlich kam ein schwarzer Lincoln um die Ecke und hielt direkt vor der Beratungsstelle an. Die Tür öffnete sich, und Wes Farrell stieg aus, gefolgt von dem gleichen gelbbraunen Labrador, mit dem Farrell neulich vor seinem Haus einen Spaziergang gemacht hatte. Farrell ging zur Eingangstür, klopfte – und eine attraktive dunkelhaarige Frau öffnete und griff sich die Hundeleine. Nach einer kurzen Unterhaltung – offenbar war die Hundeübergabe schon abgesprochen, deswegen muss te es sich um Sam handeln – ging Farrell zurück zum Wagen und fuhr los.
Eztli saß im BMW und dachte nach, spielte verschiedene Möglichkeiten durch, als sich wenige Minuten später wieder die Tür öffnete. Die Frau kam mit dem Hund heraus und band die Leine an einen Fuß der Parkbank. Als sie mit der Hand auf die Holzleisten klopfte, sprang der Hund gehorsam auf die Bank und machte es sich bequem.
Eztli wartete noch ein paar Minuten und beobachtete die Szene. Die Straße erwachte langsam zum Leben. Die Frau im Beratungscenter drehte das GESCHLOSSEN -Schild um, sodass GEÖFFNET zu lesen war, kam wieder heraus und stellte zwei große rote Näpfe – Fressen und Wasser – unter die Bank. Der Hund sprang runter, fraß und trank etwas von dem Wasser, schnüffelte eine Weile herum, taufte dann ein Bein der Bank, sprang wieder hoch und machte sich in der Morgensonne lang.
Wenn sich Glitskys Dreizimmerwohnung durch etwas auszeichnete, dann dadurch, dass die 130 Quadratmeter nie ausreichten. Als er mit Flo hier vor fünfunddreißig Jahren eingezogen war, hatten sie bereits zwei Jungen, Isaac und Jacob; ein Jahr später kam Orel hinzu. Nachdem Flo an Eierstockkrebs gestorben war, teilten sich die drei Jungs zwei kleine Schlafzimmer neben der Küche, während Rita, die Haushaltshilfe, die praktisch zur Familie zählte, ihre Schlafstätte hinter einem Raumteiler in einer Ecke des Wohnzimmers errichtet hatte. Isaac und Jacob waren bereits ausgezogen, als Treya und ihre Tochter Raney dazustießen, und nun, nachdem auch Raney und Orel flügge geworden waren, hatten Rachel und Zachary ihre Zimmer übernommen. Und alle waren sie nicht gerade das, was man stille Zeitgenossen nennen würde.
Doch nun war von den Kindern nichts zu hören, genauso wenig wie von Treya. Als sich Glitsky mit seinem Tee morgens in die kleine Küche setzte, kam ihm die ungewohnte Stille wie ein böses Omen vor.
Als das Telefon klingelte, hatte er gerade seine Tasse zum Mund geführt, doch das Brrring war so laut und unerwartet gewesen, dass er etwas Tee auf seine Beine verschüttet hatte. Er sprang auf, ärgerte sich über sich selbst und wischte die Flüssigkeit von der Hose, ging aber dann doch zum Telefon an der Wand, nahm ab und knurrte seinen Namen.
»Abe, ich bin’s, Vi. Tut mir leid, Sie zu Hause zu stören, aber da Sie noch nicht im Dienst waren, wollte ich mein Glück mal hier versuchen.«
Die unterschwellige Kritik trug nicht dazu bei, Glit-skys Stimmung zu heben. »Kein Problem«, sagte er. »Was liegt
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