Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Platzwunden im Gesicht und am Hinterkopf und brachen seinen Arm, bevor sie ihn schließlich zu einem wartenden Streifenwagen schleppten.
Als Mr. Curtlee gestern mit den absurdesten Anklagepunkten konfrontiert wurde (unter anderem mit versuchtem Mord), wurde dieser Justizposse von Richterin Erin Donahoe ein jähes Ende bereitet, als sie Mr. Curtlee erneut gegen Kaution freiließ – und das, obwohl die Polizei in einer Demonstration der Stärke schwere Geschütze auffuhr: Vi Lapeer, die neue Polizeichefin, war ebenso anwesend wie Staatsanwalt Wes Farrell, seine Assistentin Amanda Jenkins, Glitsky selbst sowie zwei der an der Festnahme beteiligten Polizisten.
Selten hat die Polizei dieser Stadt ihre Missachtung von Freiheit, Bürgerrecht und Rechtsstaatlichkeit so extrem unter Beweis gestellt wie in diesem Fall. Die Tatsache, dass Lieutenant Glitsky weiterhin in seinem Amt ist, legt die berechtigte Vermutung nahe, dass ungesetzliches Verhalten und Brutalität von den Entscheidungsträgern bei Polizei und Staatsanwaltschaft stillschweigend geduldet werden. Und wenn das Gesetz so eklatant mit Füßen getreten wird wie in diesem Fall, sollten wir uns nicht wundern, dass die Diktatur einen großen Schritt nach vorne macht. Der Polizeistaat ist jedenfalls näher, als es sich viele vorstellen können.
12
Es war kurz nach sieben am folgenden Freitagmorgen, als Glitsky aus dem Bad kam und an der Küchentür stehen blieb, um seine Tochter beim Vertilgen eines Pfannkuchens zu beobachten. Sie summte still vor sich hin, während sie den Teig kunstvoll auf ihrem Teller türmte und peinlich genau darauf achtete, dass kein Tropfen Sirup verloren ging. Dann führte sie, schnell wie eine Maus, die Gabel zum Mund, schluckte – und stellte erst in diesem Moment fest, dass ihr Vater sie beobachtete. Der volle Mund hielt sie nicht davon ab, übers ganze Gesicht zu strahlen und Worte von sich zu geben, die nach »Daddy ist wach« klangen.
»Das ist er. Wie geht es meinem kleinen Mäuschen heute Morgen?«
»Prima.«
Er ging zu ihr und küsste sie auf den Kopf. »Wir reden besser weiter, wenn du den Bissen runtergeschluckt hast, okay?« Er ging durch die kleine Küche zum Herd und schenkte sich einen heißen Tee ein, den Treya aufgesetzt hatte. Als er sich wieder umdrehte, sah er, wie sich Rachels Gesicht in ein großes Fragezeichen verwandelte: »Ist heute Samstag?«, fragte sie.
»Nein.«
Eine Pause. »Gehst du denn heute mit dem Bademantel ins Büro?«
»Klar doch.«
»Wirklich?«
»Wirklich. Ich dachte, das wär mal lustig. Was meinst du?«
»Ich dachte, sie würden das nicht erlauben.«
»Wer?«
»Na, alle.«
»Glaubst du, jemand würde mich aufhalten? Vor allem, wenn ich ihnen meinen bösen Blick zeige?«
»Was für einen bösen Blick?«
»Den hier.« Mit seiner Narbe, der Hakennase und den markanten Augenbrauen konnte Glitsky tatsächlich diabolische Grimassen schneiden. Er legte die Stirn in Falten, stieß ein knurrendes Geräusch aus und beugte sich über seine Tochter, um ihr seinen schönsten bösen Blick zu schenken.
Sie krümmte sich vor Lachen.
»Hey«, sagte Glitsky. »Der Blick soll dir Angst machen. Was ist das für ein Polizist, der den Leuten keine Angst einjagen kann?«
»Vielleicht machst du ja anderen Leuten Angst, aber mir nicht. Ich weiß, dass du nur Spaß machst.«
»Ich mach keinen Spaß. Ich bin am Üben.«
»Dann musst du aber noch viel üben.«
Glitsky setzte sich und schlürfte seinen Tee. »Du hast recht. Ich sollte mehr üben. Wo ist Mom?«
»Sie ist noch bei Zack. Ich glaub, er hat mal wieder in die Hose gemacht.« Sie widmete sich wieder ihrem Pfannkuchen. Als sie ihren Mund vollgestopft hatte, sagte sie: »Aber du gehst doch nicht wirklich im Bademantel zur Arbeit, oder?«
»Ehrlich? Nein. Ich bin heute mit dem Anziehen nur etwas spät dran.«
»Wusstest du, dass Mom auch spät dran ist?«
»Nein, wusste ich nicht.«
»Sie hat auch noch ihren Bademantel an.«
»Wirklich? Vielleicht sollten wir einen Verein gründen.«
Glitsky nahm sich nur selten frei. Nach seinem Herzinfarkt, vor allem aber kurz darauf, nachdem er im Dienst angeschossen worden war, hatte er sich lange krankschreiben lassen müssen. Die Genesung von der Schusswunde war durch endlose Komplikationen erschwert worden – mit dem Resultat, dass er fast zwei Jahre lang als Invalide geführt wurde. Konkreter gesagt: In seiner Laufbahn bei der Polizei von San Francisco hatte er bereits für 532 Tage Lohn bezogen –
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